Wo endet Satire?

20. Februar 2025
Geschrieben von: Benedikt Renschler

Der juristische Streit zwischen dem ehemaligen Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, und dem ZDF geht in die nächste Runde. Nachdem das Landgericht München I dem Sender untersagte, bestimmte Aussagen über Schönbohm in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ zu verbreiten, hat das ZDF nun Berufung eingelegt. Der Sender argumentiert, dass die Äußerungen im Rahmen der Satire zulässig seien, während das Gericht eine unzulässige Tatsachenbehauptung sah.

Wenn Satire zur Rufschädigung wird

Am 7. Oktober berichtete das ZDP Magazin Royale von einer Nähe des Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm. Dieser wurde - laut Angaben des Innenministeriums auch aus anderen Gründen - kurze Zeit später aus seinem Amt entlassen. 

Das Bundesinnenministerium unter Leitung von Nancy Faeser begründete die Entlassung offiziell nicht mit der Berichterstattung des ZDF. Dennoch wurde und wird in der öffentlichen Wahrnehmung ein Zusammenhang gesehen, da die Vorwürfe in der Sendung eine erhebliche mediale Aufmerksamkeit erzeugten.

„Leck“

In der denkwürdigen Ausgabe des ZDF Magazin Royale war es unter anderem zu folgenden Aussagen gekommen:

 "Wir haben herausgefunden. Es gibt offenbar ein bislang unbekanntes riesengroßes blubberndes Leck in der deutschen Kompetenz-Pipeline in Sachen IT und das sieht so aus: (…) Das ist Arne Schönbohm."

Diese Aussagen bedurften vor Gericht zunächst einer Auslegung. Es muss gerichtlich geklärt werden, wie die Aussagen zu verstehen sind und wie sie verstanden werden müssen. Hierbei wohnt satirisch geäußerten Sätzen natürlicherweise eine Problematik inne; oft sollen die Aussagen gerade auf bewusst überspitzte, „falsche“ Dinge abzielen.

Anhand der genannten Aussage lässt sich indes erkennen, wie unterschiedlich ein Satz gedeutet werden kann. Das vermeintlich denunzierende Wort „Leck“ muss etwa nicht zwingend für den Abfluss sensibler Informationen an außenstehende Dritte verstanden werden. Es kann auch anders verstanden werden. Gerade der Bezug auf die deutsche "Kompetenz-Pipeline" führt dazu, dass damit auch ein schlichter Kompetenz Verlust gemeint sein kann.

Urteil des LG München I

In dem Verfahren vor dem LG München I hatte sich Böhmermann auf die Freiheit seiner Satire durch die Künstlerische Freiheit gem. Art. 5 III GG berufen. Dieser Ansicht folgte das Gericht nicht, sondern nahm eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 I iVm. Art. 2 I GG) Schönbohms an. Gerade in der Aussage, Schönbohm habe bewusst Kontakt mit Nachrichtendiensten aus Russland gehalten, liege nicht etwa einfach die Äußerung der freien Meinung, sondern vielmehr eine unwahre, verletzende Tatsachenbehauptung. Dass Schönbohm tatsächlich die in Rede stehenden Kontakte zu russischen Nachrichtendiensten unterhalten habe, konnte das ZDF nämlich nicht belegen. 

Aus juristischer Perspektive liegt dort die besondere Schwierigkeit im Umgang mit den Aussagen in der Sendung. Die Unterscheidung, ob es sich um eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung handelt ist entscheidend: Meinungsäußerungen genießen einen besonders hohen Schutz, Tatsachenbehauptungen können hingegen einfacher verboten werden, zumal wenn sie unwahr sind.

In der Verhandlung vor dem Landgericht (LG) München I war es unter anderem um die Auslegung dieserlei Aussagen gegangen - mit der Wirkung, dass dem Sender das Tätigen und Verbreiten von Aussagen verboten wurde, welchen der Charakter einer Tatsachenbehauptung innewohne. (Az. 26 O 12612/23)

Auslegungsproblem

So eindeutig ist die Bewertung des Gesagten jedoch nicht. Problematisch ist dies in insoweit, als es zu einer solchen Behauptung in der Sendung gar nicht kam. Böhmermann machte sich lediglich über die Antwort lustig, die er auf Anfrage, ob solche Kontakte bestanden hätten, bekommen hatte: Herr Schönbohm habe nicht bewusst mit Vertretern ausländischer Nachrichtendienste in Kontakt gestanden.

Es ist daher gut denkbar, dass hier die Berufung des ZDF ansetzen könnte: Der Sender könnte argumentieren, dass es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung über Schönbohm handelte, sondern lediglich um eine satirische Zuspitzung einer offiziellen Aussage.

Persönlichkeitsrechte in der Satire

Die Auseinandersetzung wirft grundsätzliche Fragen zur Abgrenzung zwischen Satire und Persönlichkeitsrechten auf. Während Schönbohm seine Reputation durch die Berichterstattung gefährdet sieht, beruft sich das ZDF auf die Pressefreiheit. Die nächste Instanz wird nun klären müssen, inwieweit Satire in der medialen Berichterstattung Grenzen überschreiten darf.

Nicht das erste Mal

Die rechtlichen Auseinandersetzungen um die Grenzen der Satire sind nicht neu. Bereits 2016 sorgte die sogenannte „Böhmermann-Erdogan-Affäre“ für eine intensive Debatte über Kunst- und Meinungsfreiheit. In seiner Sendung trug Jan Böhmermann damals das satirische Gedicht „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vor. Während die Staatsanwaltschaft Mainz das strafrechtliche Verfahren wegen Beleidigung einstellte, untersagten Zivilgerichte später Teile des Gedichts. Der Fall führte letztlich zur Abschaffung des umstrittenen § 103 StGB (Majestätsbeleidigung).

Satire im Wahlkampf

Noch kurz vor der Bundestag wurde das ZDF vom Verwaltungsgericht (VG) Mainz dazu verpflichtet, einen Werbespot von Die Partei zu senden. Auch hier ging es um eine ähnliche Abwägung wie im Fall Erdogan.

Zu sehen war in dem Spot eine satirisch inszenierte Szene zwischen einem Mann und einer Frau, die offensichtlich als Charlotte und Friedrich Merz erkannt werden durften. Es handelte sich bei der Szenerie um einen überspitzt dargestellten (sexuellen) Übergriff gegen den Mann. Dazu wurde eingesprochen: „Trotz allem. Frauen sind gegen die Vergewaltigung von Friedrich Merz in der Ehe. Zurecht. Wählen Sie deshalb Die Partei.“ 

Das VG sah hierin die in solchen Fällen übliche Kollision aus „Allgemeinem Persönlichkeitsrecht“ gem. Art. 1 I iVm. Art. 2 I GG und „Meinungsfreiheit“ gem. Art. 5 I S.1 sowie der „Betätigungsfreiheit“ aus Art. 21 I GG.
Das Gericht kam hier zu dem Schluss, der Spot sei zwar „grenzwertig und geschmacklos“, aber dennoch gedeckt von der Meinungsfreiheit. Verweigern könnte der Sender das Senden des Spots nur, wenn dieser gegen allgemeine Gesetze verstoße. In diesem Fall sah sich das VG gezwungen, dem Sender zu Gunsten von Die Partei das Senden des Spots durch einstweilige Anordnung gem. § 123 I Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufzuerlegen. 

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