Widerruf eines Ehegattentestaments

30. Dezember 2020
Geschrieben von: Kristina Grohs

Gemäß § 2253 BGB ist grundsätzlich jedes Testament frei widerruflich. Für den Widerruf eines wechselbezüglichen Ehegattentestaments gilt dieser Grundsatz allerdings nur zu Lebzeiten (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB) und auch dann nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diese Anforderungen hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 31.10.2019 konkretisiert.

Sachverhalt

Ein Ehepaar hatte gemeinsam ein Testament errichtet. In diesem hatten sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Die Töchter des Ehemanns aus erster Ehe sowie der Neffe der Ehefrau wurden als Schlusserben bezeichnet. Aus dem Testament geht hervor, dass alle gemeinsamen Verfügungen wechselseitig, d.h. nach dem Tode des zuerst versterbenden für den anderen verbindlich sein sollen. Gemeinsame Kinder hatte das Ehepaar nicht. Später verstarben die Ehegatten im Abstand von 4 Tagen.

Nach dem Tod der Ehefrau beantragte deren Neffe einen Erbschein, der den nachverstorbenen Ehemann als Alleinerben aufgrund Testaments ausweist. Das Testament war allerdings unauffindbar. Daraufhin hat das Nachlassgericht den Antrag zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass das Testament in Widerrufsabsicht vernichtet worden ist. Damit sollte die gesetzliche Erbfolge eingetreten sein. Zu Unrecht, so das OLG.

Das Ehegattentestament

Ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten kann in jeder allgemein für Testamente vorgesehenen Form errichtet werden, d.h. in Form eines eigenhändigen Testaments, eines öffentlichen Testaments oder als Nottestament. Die Vorschrift des § 2267 enthält für gemeinschaftliche Testamente allerdings eine Formerleichterung. Es reicht aus, wenn ein Ehegatte das Testament eigenhändig schreibt und unterzeichnet, während der andere Ehegatte die letztwillige Verfügung nur mitunterschreibt.

Ehegattentestamente werden häufig nach dem sog. Einheitsprinzip („Berliner Testament“) errichtet. Dabei setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben und einen Dritten als Schlusserben ein. Das heißt wiederum, dass das Vermögen des Erstversterbenden zunächst auf den überlebenden Ehegatten übergeht. Der Schlusserbe (z.B. das Kind der Ehegatten) erbt dann wiederum das Vermögen des anderen Ehegatten, in welches das Vermögen des Erstversterbenden zuvor geflossen ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Schlusserbe vom Erstversterbenden enterbt wird. Somit steht ihm – bei entsprechender Verwandtschaft - grundsätzlich ein Pflichtteilsanspruch zu.

Es besteht auch die Möglichkeit, sich für das sog. Trennungsprinzip zu entscheiden. Dann ist der überlebende Ehegatte Vorerbe. Das bedeutet, dass das Vermögen des Erstversterbenden nicht in das Vermögen des Erben fließt, sondern davon getrennt bleibt. Verstirbt der andere Ehegatte auch, so erbt ein Dritter als Nacherbe das Vermögen des Erstversterbenden. Dementsprechend ist der Nacherbe hier nicht enterbt, so dass auch kein Pflichtteilsanspruch besteht.

Schon gewusst? Die Kanzlei Schumacher steht Ihnen mit kompetenter Steuerberatung und Rechtsanwälten in Essen zur Seite!

Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen

Gem. § 2271 BGB ist der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments nur noch eingeschränkt möglich, wenn die darin enthaltenen Verfügungen wechselseitig sind. Ein Ehegattentestament kann dann nur bis zum Tode des anderen Ehegatten widerrufen werden. Danach kann der Überlebende seine Verfügung nur noch aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt.

Wechselbezüglichkeit

Wechselbezüglichkeit liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass die eine Verfügung des Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten in der Form getroffen wurde, § 2270 Abs. 1 BGB. Davon ist im Zweifel auszugehen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken. Hier wäre es nicht sachgerecht, wenn einer der beiden Ehegatten diese Verfügung heimlich zu Lebzeiten ändern würde. Das gilt auch für die Änderung der Schlusserbenfolge nach dem Tod des Erstversterbenden.

Unauffindbar heißt nicht widerrufen

Der Senat des OLG hat im entschiedenen Fall festgestellt, dass bei Unauffindbarkeit eines Testaments keine Vermutung dafür besteht, dass dieses vom Erblasser vernichtet worden und damit gem. § 2255 BGB widerrufen worden ist. Vielmehr muss sich sicher feststellen lassen, dass ein möglicher Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen durch Vernichtung der Urkunde von beiden Ehegatten gewollt gewesen und mit Testierwillen umgesetzt worden ist.

Ansonsten besteht nämlich die Möglichkeit, dass ein Ehegatte allein die Vernichtung herbeiführt, um die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments außer Kraft zu setzen und die Widerrufsvoraussetzungen zu umgehen.

Fazit

Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem Ehegattentestament durch Vernichtung der Urkunde setzt voraus, dass beide Ehegatten mit Testier- und Widerrufswillen an der Vernichtung der Urkunde mitgewirkt haben. An den diesbezüglichen Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Er setzt insbesondere voraus, dass die Möglichkeit, dass ein Ehegatte die Urkunde ohne Kenntnis und Mitwirkung des anderen vernichtet hat, ausgeschlossen werden kann.

Bei weiteren Fragen zum Thema Ehegattentestament oder anderen erbrechtlichen Fragen, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.

Ihre Kanzlei Schumacher & Partner
Rechtsanwälte für Erbrecht in Essen

Sie haben noch Fragen?
Wir sind für Sie da!
Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
Bürozeiten: Mo - Do: 08:00 – 17:00 Uhr, Fr: 08:00 – 15:00 Uhr
chevron-down linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram