Wir berichteten jüngst über eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes: Ein Handwerker bekam selbst bei mangelfreier Leistung keinen Lohn – der Fehler: Er schloss den Vertrag per Telefon und unterrichtete nicht über das bestehende Widerrufsrecht. Zwei Hauseigentümer wollten (auch) daraus ein Business-Modell entwickeln. Dies sollte nach einer jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshof gescheitert sein (Az.: VII ZR 151/22).
Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen oder über Fernabsatz zwischen Verbrauchern und Unternehmen geschlossen werden, können in der Regel für vierzehn Tage vom Verbraucher widerrufen werden. Der Widerruf entstammt dem Europarecht und soll Verbraucher davor schützen, unüberlegte Entscheidungen zu treffen und auch, Kaufgegenstände vorher auszuprobieren. So ergibt es Sinn, dass wenn wir einen Anzug online bestellen, ihn erst einmal anprobieren wollen.
Die Widerrufsfrist verlängert sich aber um ein Jahr, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über seine Rechte informiert wurde.
Die Folge vom Widerruf ist: Der Unternehmen muss das Geld zurücküberweisen und der Verbraucher die erhaltene Leistung ebenfalls zurückgeben.
Allerdings ist das Widerrufsrecht weit erfasst. Es erfasst fast alle Arten von Verträgen. Also auch Leistungen von Handwerkern. Hier funktioniert eine „Rückgabe“ nicht – also wird die tatsächliche Leistung, meistens zum angegebenen Preis, verrechnet.
Dies ändert sich jedoch, sobald fehlerhaft über das Widerrufsrecht aufgeklärt wurde. Dann gibt es für alles, was das Europarecht als Dienstleistungen beschreibt (im Ergebnis alles bis auf Kaufverträge) kein (oder weniger) Geld zurück.
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Das wollten die Hauseigentümer nutzen und schlossen „absichtlich“ einen Vertrag per Fernabsatz (also per Telefon in diesem Falle), damit sie später nicht zahlen müssen. Dafür bestellten sie zuerst einen Handwerker zu ihrem Grundstück, der Dachdeckerarbeiten vornehmen sollte. Knapp 1.200 Euro sollten die Arbeiten kosten. Den Vertrag schlossen sie aber online.
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Nachdem der Handwerker die Dachdeckerarbeiten mangelfrei durchführte, verwiesen die Hauseigentümer auf den Widerruf und drückten dem Handwerker obendrein einer Flyer in die Hand: „Der Handwerker-Widerruf – Schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern“
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Das Amtsgericht wies eine Klage der Eigentümer als rechtsmissbräuchlich ab. Das Landgericht Hannover allerdings kam zur Einschätzung, dass der Handwerker nicht bezahlt werden musste.
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Danach „ging“ die Entscheidung zum Bundesgerichtshof. Dieser ging einen „Mittelweg“: Das Widerrufsrecht solle keine Anwendung finden. Denn die Eigentümer konnten mit dem Handwerker persönlich kommunizieren und es lag außerdem Zeit zwischen dem Gespräch über den Preis und dem Vertragsschluss. Dadurch könnten sich die Eigentümer den Vertragsschluss „durch den Kopf gehen lassen.“ Der Schutzzweck des Widerrufsrechts sei mithin nicht einschlägig.
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Der Bundesgerichtshof musste die „große“ Frage, ob derartige Geschäftsmodelle rechtsmissbräuchlich sind wegen der Einzelfallkonstellation nicht entscheiden. Moralisch mag das Vorgehen verwerflich sein, rechtlich scheint es aber prima facie im Rahmen des Möglichen. Hier ist jedenfalls Nachbesserungsbedarf durch den Gesetzgeber. Unternehmen sollten dabei genau darauf achten, wo und wie sie Verträge schließen.