Die Straßen werden immer voller. Damit steigt auch das Risiko, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Betroffen sind in der Regel Fußgänger, Fahrradfahrer sowie Auto- bzw. LKW-Fahrer. Aber wer haftet im Schadensfall? Die Antwort auf diese Frage finden Sie in diesem Beitrag.
Ist ein Kraftfahrzeug (Kfz) an einem Unfall im öffentlichen Straßenverkehr beteiligt, so haftet zunächst der Halter, § 7 StVG. Daneben haftet - soweit personenverschieden - zusätzlich der Fahrer, § 18 StVG.
Kraftfahrzeuge sind Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein, § 1 Abs. 2 StVG. Hierzu zählen insbesondere Pkw, Lkw sowie Motorräder.
Zu beachten ist, dass es sich bei der Haftung für Kfz um eine sog. Gefährdungshaftung handelt. Bei der Gefährdungshaftung haftet der Schädiger ohne eigenes Verschulden für einen Schadenserfolg, weil er eine besondere Gefahrenquelle geschaffen hat.
Beispiel:
Ein Fahrzeug wird in einen Unfall verwickelt und muss in die Werkstatt. Tage später geht das Kfz - in Folge des Unfallgeschehens - aufgrund eines Kurzschlusses von alleine in Flammen auf und beschädigt die Werkstattgarage. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist der Brandschaden noch der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr zuzurechnen. Damit haftet der Halter für die entstandenen Schäden.
Diese Haftung kann im Einzelfall ausgeschlossen sein:
Bei der höheren Gewalt kommen elementare Naturkräfte (Wirbelstürme, Erdbeben oder Brückeneinsturz, Tiere wie Pferde auf der Autobahn) oder Handlungen Dritter in Frage. Diese müssen nach der menschlichen Erfahrung unvorhersehbar und unabwendbar sein.
Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht, so hängt die Haftung im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander sowie zu Dritten insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG.
Gem. § 17 Abs. 3 StVG gilt jedoch eine Besonderheit bei "unabwendbaren Ereignissen".
Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat, § 17 Abs. 3 S. 2 StVG.
Das Leitbild hierfür ist der sog. „Idealfahrer“. Dieser muss äußerste Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Geistesgegenwart bewiesen haben und den Unfall dennoch nicht verhindert haben können. An dieses Kriterium werden in der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt, so dass es nur äußert selten vorkommt, dass die Haftung wegen Unabwendbarkeit ausgeschlossen ist.
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War der Verletzte nicht selbst als Halter oder Fahrzeugführer am Unfall beteiligt, richtet sich das Mitverschulden bei Verkehrsunfällen nach § 9 StVG. Dieser verweist auf § 254 BGB.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
Bei der Sachbeschädigung gilt gem. § 9 StVG die Ausnahme, dass sich der Verletzte auch ein Verschulden seines Gewahrsamsinhabers anrechnen lassen muss.
Eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens ist insbesondere bei Unfällen mit Fahrradfahrern oder Fußgängern relevant. So müssen es sich diese Verkehrsteilnehmer z.B. anrechnen lassen, wenn sie ihrerseits gegen Verkehrsregeln verstoßen haben und dadurch zum Unfall beigetragen haben.
Nicht immer lässt sich zweifelsfrei feststellen, wie es zu einem Unfall gekommen ist.
Beispiel:
Der Kläger behauptet, der Beklagte sei ihm mit seinem Auto aufgefahren. Der Beklagte behauptet, hierzu sei es nur gekommen, weil der Kläger ohne ersichtlichen Grund plötzlich gebremst habe.
In bestimmten Konstellationen kann dann zu Gunsten einer Partei der so genannte Anscheinsbeweis greifen.
Der Anscheinsbeweis greift, bei Geschehensabläufen, die nach der Erfahrung des täglichen Lebens so sehr das Gepräge des Regelmäßigen, Üblichen, Gewöhnlichen und Häufigen trägt, dass die individuellen Umstände in ihrer Bedeutung dahinter zurückbleiben.
Der Anscheinsbeweis erleichtert dem Beweispflichtigen die Beweisführung.
Beispiel:
Im oben genannten Fall greift der Anscheinsbeweis, dass es typischerweise zu Auffahrunfällen kommt, weil der Auffahrende einen zu geringen Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden eingehalten hat. Der Auffahrende muss plausibel die Möglichkeit darlegen, dass gerade ein atypischer Fall vorliegt - er muss den Anscheinsbeweis erschüttern. Das plötzliche Abbremsen des Vordermanns ist hierzu grundsätzlich nicht geeignet, weil der Sicherheitsabstand gerade auf eine solche Möglichkeit hin einzurichten ist (vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 StVO). Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Grund für das starke Bremsen gänzlich fehlt.
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Eine weitere Ausprägung der eingangs genannten Gefährdungshaftung ist, dass insbesondere bei der Kollision zweier Kraftfahrzeuge auf beiden Seiten eine Betriebsgefahr berücksichtigt wird. Das heißt, dass auch der Kläger regelmäßig nicht den vollen Schadensbetrag vom Unfallgegner ersetzt verlangen kann.
Beispiele für erhöhte Betriebsgefahr: LKW mit erhöhter Masse, Eignungsmängel des Fahrers, besondere Verkehrssituationen.
Ausnahmsweise wird die Betriebsgefahr nicht angerechnet, wenn eine Seite ein überragendes Mitverschulden trifft.
Die Ersatzpflicht nach einer Tötung umfasst
Gem. § 11 S. 1 StVG kann bei Körperverletzung der Geschädigte Heilungskosten und Ersatz der Vermögenseinbußen verminderter oder aufgehobener Erwerbsfähigkeit verlangen.
Zudem sieht § 11 S. 2 StVG einen Anspruch auf Schmerzensgeld vor.
Achtung!
Die Anspruchshöhe ist in § 12 StVG begrenzt! Werden die Höchstbeträge überschritten, kommt nur noch eine verschuldensabhängige Haftung nach den §§ 823 ff. BGB in Betracht.
Bei weiteren Fragen zum Thema Verkehrsrecht, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
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