Die Community des Christopher Street Day hat auf den ersten Blick nicht wirklich viel mit der streng gläubigen Evangelikalen gemein. Ein Pastor in Bremen äußerte öffentlich seinen Unmut über die Teilnehmer. Kann das Volksverhetzung sein?
Ein 56-Jähriger Pfarrer einer Bremer Gemeinde von Evangelikalen machte seinen Unmut über die Teilnehmer an einem Christopher Street Day öffentlich.
"Überall laufen diese Verbrecher rum von diesem Christopher Street Day". Und weiter: "Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist zutiefst teuflisch und satanisch". Teuflisch sei auch die "Homo-Lobby". Und Homosexualität gehöre zu den "Degenerationsformen von Gesellschaft".
Betroffene wollten diese Einschätzungen nicht hinnehmen und erstatten Anzeige gegen des Geistlichen.
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Nachdem der besagte Pfarrer 2020 zunächst wegen Volksverhetzung gem. § 130 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90 € verurteilt wurde, ging dieser in Berufung.
Ein Berufungsverfahren soll die Möglichkeit einer neuen rechtlichen Begutachtung bieten.
Hierbei kam das Landgericht (LG) Bremen zu dem Schluss, die Äußerungen des Geistlichen seien von der Glaubensfreiheit geschützt. Interessant am Urteil der Kleinen Strafkammer 51 war, dass danach aus der Glaubensfreiheit (Art. 4 GG) auch extreme im Glauben verankerte Meinungen schützenswerte sein sollen. Das LG statuierte in seinem Urteil, die Religionsfreiheit des Pfarrers überwiege dem Schutz der Ehre von Homosexuellen. (Az.: 51 Ns 225 Js 26577/20)
Gegen dieses Urteil wehrte sich die Staatsanwaltschaft, indem sie Revision einlegte. In dem Revisionsverfahren wird das vorherige Verfahren auf Rechtsfehler überprüft - es kommt hierbei nicht zu einer neuen Verhandlung.
Das zuständige OLG gab der Staatsanwaltschaft recht und hob den Freispruch auf.
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Einen formalen Grund, den Freispruch aufzuheben, sah das OLG in einem "Begründungsmangel" seitens des Landgerichtes. Der vorinstanzlichen Entscheidung mangele es an vielen Stellen am Wortlaut der kritischen Äußerungen des Geistlichen. Auch würden sie teilweise nicht in den richtigen Kontext gesetzt. Eine Überprüfung des Sachverhalts sei daher durch das OLG als Revisionsinstanz nicht möglich.
Das OLG gab das Verfahren also zurück an die vorherige Instanz, das Landgericht, jedoch an eine andere Kammer. Dazu legte das Oberlandesgericht eine paar Rahmenbedingungen zur Weiterführung des Prozesses fest.
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Auch, wenn sowohl die Meinungs- als auch die Religionsfreiheit des Pfarrers einen hohen Stellenwert hätten, müssten sie stets dann "zwingend zurücktreten", wenn die Würde eines anderen Menschen darunter leide, "da die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist".
Besonders auffallend ist, dass sich das OLG von den Äußerungen des Pfarrers distanzieren möchte. So lässt das Urteil erkennen, dass der Einschätzung des Geistlichen, Homosexuelle seien eine "gesellschaftliche Degenerationsform" eine massive Abwertung homosexuelle Menschen innewohnt.
Um den Tatbestand der Volksverhetzung annehmen zu können, bedarf es einer abgrenzbaren Bevölkerungsgruppe, gegen die sich die Hetze richtet. Das Landgericht hatte in seinem Urteil noch die Einschätzung vertreten, die Äußerung "Verbrecher rund um diesen Christopher Street Day" reiche noch nicht aus, um eine solche abgrenzbare Bevölkerungsgruppe anzunehmen. Das OLG widersprach dieser Ansicht nun insofern, als es festlegte, jedenfalls bei den aktiven Umzugsteilnehmern sei die notwendige Abgrenzbarkeit gegeben und somit der Tatbestand der Volksverhetzung eröffnet.
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Das OLG wertete es als nicht glaubhaft, dass sich die Bezeichnung "Verbrecher" womöglich nur auf eine bestimmte Personenzahl beziehe. Vielmehr bestünden keine Anhaltspunkte, nicht anzunehmen, dass sich die Bezeichnung auf alle Teilnehmer des Christopher Street Days richte.
Auch konstatierte das OLG, dem Pastor komme durch seine Stellung in der Gemeinde eine besondere Stellung entgegen. Sein Wort sei viel eher dazu geeignet, ein feindliches Klima zu erwirken, als das eines gewöhnlichen Gemeindemitgliedes.