Zwei Frauen aus Afghanistan, deren Asylanträge in Österreich abgelehnt wurden, klagten dagegen vor dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof. Der Europäische Gerichtshof gab ihnen Recht. Er schätzt die generelle Situation von Frauen in Afghanistan als so schlecht ein, dass sie ihnen dadurch allumfassend ein Recht auf Asyl zustehen soll.
Seitdem die Taliban im August 2021 nach der Macht in Afghanistan gegriffen haben, hat sich das Rechtssystem und der status quo der (weiblichen) Bevölkerung drastisch verändert. Wo sich die USA und weitere westliche Staaten zwei Jahrzehnte für Demokratisierung einsetzten, dauerte es wenige Wochen, bis all das, was man erreicht zu haben glaubte wieder "zurückverändert" wurde.
Zwangsverheiratungen, Patrouillen der sogenannten Sittenpolizei, politische Verfolgung sowie Verhüllungsgebote sind an der Tagesordnung. Frauen bleibt der Zugang zu Bildung nach der sechsten Klasse verwehrt. Sie sehen sich schweren Misshandlungen und teilweise Arbeitsverboten ausgesetzt - diese Hälfte der Bevölkerung steht im besonderen Fokus der Taliban.
Den Verstoß gegen zahlreiche Menschenrechte bewerten die UN als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
Heute leben nach Quellen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung rund 97% der Bevölkerung Afghanistans in Armut, beinahe zwei Drittel der 40 Millionen Einwohner sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Der EuGH entschied angesichts dessen, dass bei der Überprüfung von Asylanträgen aus Afghanistan bereits das Geschlecht und Staatsangehörigkeit genüge, um von einer Verfolgung auszugehen. Ob auch eine konkrete personell individuelle Gefahr bzw. Verfolgung bestehe, darf demnach unbeachtet bleiben.
Der EuGH gibt den beiden Frauen damit klar recht. Die diskriminierenden Maßnahmen und Gesetze des Taliban-Regimes gegen Frauen gelten bereits für sich als Verfolgungshandlungen. Diese Bewertung ergebe sich schon im Rückblick auf die Herrschaft der Taliban von 1996 bis 2001. (Urt. v. 04.10.2024, Az. C-608/22 und C-609/22)
Problematisch ist bei derlei Fällen stets der Begriff des "Flüchtlings". Laut Genfer Menschenrechtskonvention, der die Furcht vor Verfolgung voraussetzt.
„Im Sinne dieses Abkommens findet der Ausdruck ‚Flüchtling‘ auf jede Person Anwendung [, die] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“.
Kapitel 1, Artikel 1 A Nr. 2
Für die nationalen Asylbehörden der Mitgliedsstaaten der EU wird die Prüfung eines Asylantrags aus Afghanistan so kurz und eindeutig wie möglich: Kenntnis über Geschlecht und Staatsangehörigkeit der antragenden Person reichen aus.