Ein Unfallgeschädigter hat keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung gegen den Unfallverursacher, wenn ihm während der Reparaturzeit des beschädigten Fahrzeugs die Nutzung eines Zweitwagens möglich und zumutbar ist. Das hat das Oberlandesgericht („OLG“) Frankfurt am Main am 21.07.2022 entschieden.
Der Sachverhalt
Der Kläger fuhr einen Porsche 911. Dieses Sportfahrzeug wurde bei einem Unfall beschädigt. Die Reparatur dauerte ganze 112 Tage. Zwar verfügte er über weitere vier Fahrzeuge. Der Kläger trug jedoch vor, dass
- hiervon zwei von Familienmitgliedern genutzt würden;
- ein weiteres Fahrzeug extra für Rennen ausgestattet und daher für den Straßenverkehr nicht geeignet sei;
- das vierte Fahrzeug „nur“ ein Ford Mondeo sei.
Der Porschefahrer forderte daher vom Unfallgegner neben dem vollständigen Ersatz der Reparaturkosten die Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Die Nutzung des Ford Mondeo, der für den alltäglichen Straßenverkehr zu sperrig sei und von der ganzen Familie nur für Lasten- oder Urlaubsfahrten genutzt werde, sei dem Kläger nicht zumutbar. Denn: es fehle das Fahrvergnügen wie er es in seinem Porsche habe.
Die Nutzungsausfallentschädigung
Autos bringen einen schnell von A nach B. Dies spart Zeit, die bekanntlich „Geld ist“. Aus diesem Grund ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Unfallgeschädigte vom Unfallverursacher eine Entschädigung verlangen können, wenn sie aufgrund des Unfalls ihr Auto für eine gewisse Zeit (insbesondere für die Dauer der Reparatur) nicht nutzen können. Das gilt auch bei einem wirtschaftlichen Totalschaden, wenn ein Ersatzfahrzeug angeschafft werden muss. Bei einer Teilschuld am Unfall besteht zumindest ein anteiliger Anspruch.
Die Höhe der Entschädigung liegt zwischen 23 und 175 Euro pro Tag. Sie bestimmt sich nach der Art des beschädigten Fahrzeugs.
Nutzungsmöglichkeit und Nutzungswille
Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung besteht nur, wenn das Fahrzeug wirklich repariert wird oder wenn bei einem Totalschaden ein Ersatzfahrzeug beschafft wird. Eine fiktive Abrechnung ist nicht möglich.
Zudem muss das Auto entweder so stark beschädigt sein, dass man nicht mehr damit fahren kann, oder nicht mehr verkehrssicher sein. Außerdem müssen ein Nutzungswille und eine Nutzungsmöglichkeit bestehen.
Ein Nutzungswille liegt vor, wenn der Geschädigte das Fahrzeug auch nutzen möchte (z.B. weil er jeden Tag damit zur Arbeit fährt). Nutzungsmöglichkeit meint, dass das Auto auch genutzt werden kann (z.B. kann jemand, der nach einem Unfall ein gebrochenes Bein hat, ein Fahrzeug nicht nutzen).
Nutzung eines Mietwagens schließt Anspruch aus
Der Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung entfällt, wenn sich der oder die Geschädigte für einen Mietwagen oder einen Ersatzwagen entscheidet, um die (gesamte) Zeit der Reparatur zu überbrücken.
Auch wer die Möglichkeit hat, einen Zweitwagen zu nutzen, erhält keine Entschädigung. Eine Ausnahme gilt wiederum, wenn der Zweitwagen nachweislich von anderen Familienmitgliedern genutzt wird.
Nutzung des Zweitwagens ist zumutbar
Das Argument des Klägers, die Nutzung des Ford Mondeos sei für ihn unzumutbar, überzeugte die Richter:innen des OLG im entschiedenen Fall nicht. Der Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung bei Wegfall der Nutzungsmöglichkeit entfalle, wenn die Nutzung eines Zweitwagens möglich und zumutbar sei. Und nach Ansicht der Richter:innen sei ein Ford Mondeo gerade dies – ein zumutbarer Zweitwagen für Fahrten zur Arbeit oder für private Zwecke.
„Dass es sich bei dem beschädigten Fahrzeug, einem Porsche 911, mithin einem Sportwagen, aufgrund seiner Motorisierung, Fahrleistung und Ausstattung um ein Fahrzeug aus dem deutlich gehobenen Marktsegment handelt, während es sich bei dem Ford Mondeo ledig um ein Mittelklassefahrzeug handelt, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Nutzung des Ford Mondeo.“
Fazit
Auch wenn ein Porsche tatsächlich mehr Fahrspaß bereiten dürfte, so macht dies die Nutzung eines Fords als Ersatzwagen trotzdem nicht unzumutbar. Der Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung entfällt demnach für die Zeit der Reparatur.
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