Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich, so kann er für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vorsorglich den Urlaub in der Kündigungsfrist gewähren, um eine Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüche zu vermeiden. Der Arbeitgeber muss dann aber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlen oder verbindlich zusagen. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 4.9.2019 entschieden.
Im entschiedenen Fall wurde einem Arbeitnehmer am 18.09.2017 fristlos gekündigt. Hilfsweise erhielt er zum 30.11.2017 auch eine ordentliche Kündigung. Das Kündigungsschreiben enthielt zudem die Klausel, dass – falls die fristlose Kündigung unwirksam sein sollte – der Beschäftigte nicht zur Arbeit erscheinen soll, sondern seinen Resturlaub nehmen muss. Der Arbeitgeber sagte dem Arbeitnehmer für die Zeit des Urlaubs vorbehaltlos die Urlaubsvergütung zu. Es kam schließlich zu einem arbeitsgerichtlichen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2017 enden sollte.
Nicht geklärt war jedoch, ob der Arbeitgeber den Beschäftigten in dem Kündigungsschreiben zum Urlaub verpflichten durfte. Diese vorsorgliche Urlaubsgewährung sei nicht zulässig gewesen, so der Arbeitnehmer: Urlaub diene schließlich der Erholung und der Freizeit. Er sei aber wegen der vorrangig ausgesprochenen fristlosen Kündigung verpflichtet gewesen, sich bei der Agentur zur Arbeit arbeitsuchend und arbeitslos zu melden. Er habe wegen seiner Mitwirkungspflicht auf Vermittlungsangebote reagieren müssen, so dass ein unbeschwerter Urlaub unter diesen Umständen nicht möglich war. Die Urlaubsgewährung sei deshalb unwirksam. Aus diesem Grund stehe ihm noch eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.338,00 € zu.
Der Arbeitgeber meinte hingegen, dass alle Ansprüche mit dem arbeitsgerichtlichen Vergleich ausgeglichen seien. Er habe auch für den Fall einer unwirksamen fristlosen Kündigung vorsorglich den Urlaub bis Ende der ordentlichen Kündigungsfrist anordnen dürfen. Für diese Urlaubstage habe er den Lohn weiter gezahlt.
Nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss.
Bei einer Kündigung muss nach erhobener Kündigungsschutzklage erst rechtskräftig über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses entschieden werden. Deshalb besteht zum Zeitpunkt der Freistellungsgewährung auch noch Unsicherheit über das Bestehen einer Arbeitspflicht. Um Sicherheit über die Verbindlichkeit der „bezahlten“ Urlaubsgewährung erlangen zu können, ist es deshalb erforderlich, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss.
Schon gewusst? Eine Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG ist innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Ansonsten gilt die Kündigung als wirksam, § 7 KSchG.
Das LArbG hat festgestellt, dass der Arbeitgeber aus diesem Grund vor dem Urlaubsantritt die Urlaubsvergütung zahlen oder zumindest vorbehaltlos zusagen muss. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber gegenüber dem Kläger den Urlaub deshalb wirksam angeordnet. Dem Arbeitnehmer wurde Urlaubsentgelt gewährt. Somit war er nicht in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt worden. Denn entsprechende Mitwirkungspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit bestünden auch bei „normalen“ ordentlichen Kündigungen. Auch bei diesen müssen Arbeitnehmer sich bis Ablauf der Kündigungsfrist der Behörde für Vermittlungsbemühungen zur Verfügung stellen. Das gilt selbst dann, wenn sie in dieser Zeit noch Urlaub haben. Aus diesem Grund konnte der Kläger sich in dieser Zeit ausreichend erholen. Den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers hatte der Arbeitgeber mit Zahlung des Urlaubsentgelts somit bereits erfüllt.
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Kündigt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer außerordentlich, so ist es keine Seltenheit, dass hilfsweise die ordentliche Kündigung erklärt wird. So wird das Arbeitsverhältnis auch beendet, wenn die fristlose Kündigung unwirksam ist. Gewährt der Arbeitgeber für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vorsorglich den Urlaub in der Kündigungsfrist, so ist dies zulässig, wenn der Arbeitgeber vor Antritt des Urlaubs die Urlaubsvergütung zahlt oder diese verbindlich zusagt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das LArbG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
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