Nicht selten kommt es vor, dass deutsche Arbeitnehmer über die eigentliche Arbeitszeit hinaus Überstunden leisten. In Tarifverträgen ist hierfür häufig ein Mehrarbeitszuschlag vorgesehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich nun mit der Frage zu befassen, wie genau diese Mehrarbeitszuschläge zu berechnen sind.
Der aktuellen Entscheidung lag ein deutscher Sachverhalt zugrunde. Geklagt hatte ein Zeitarbeitnehmer.
Für Zeitarbeitnehmer gilt in Deutschland ein gesonderter Manteltarifvertrag. Dieser sieht vor, dass in Monaten mit 23 Arbeitstagen ab einer geleisteten Arbeitszeit von 184 Stunden für weitere Überstunden ein Mehrarbeitzuschlag in Höhe von 25 % gezahlt wird. Berücksichtigt werden sollen demnach jedoch nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Für in Anspruch genommenen Urlaub und die hierauf entfallenen Arbeitsstunden soll demgegenüber kein Mehrarbeitszuschlag entrichtet werden.
Hiergegen wandte sich ein betroffener Leiharbeitnehmer und klagte vor dem Landesarbeitsgericht Hamm. Dieses legte die Frage dem EuGH vor. Dieser stellte sich nun hinter den klagenden Leiharbeitnehmer – auch, wenn im konkreten Fall noch das Bundesarbeitsgericht entscheiden müsse.
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So urteilten die Luxemburger Richter, dass die Regelung, nach der für Urlaubstage kein Mehrarbeitszuschlag zu entrichten sei, gegen europäisches Recht verstoße. Dabei stützte das Gericht sich insbesondere auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG sowie Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta.
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
Art. 31 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta
…
(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.
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Bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, wie insbesondere Arbeitshöchstdauern sowie ein Mindesturlaubsanspruch, sind für alle Mitgliedsstaaten der europäischen Union einheitlich geregelt. Zwar muss die entsprechende Richtlinie durch die Mitgliedsstaaten jeweils individuell in nationales Recht umgesetzt werden. Jedoch kann die Richtlinie einen Mindeststandard festlegen, auf den sich dann auch der einzelne Unionsbürger berufen kann.
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Der EuGH argumentierte insoweit, dass auch der Wortlaut der Richtlinie entsprechend den Werten der EU-Grundrechtecharta auszulegen sei. Entsprechend verstoße die Regelung des Tarifvertrags, nach der für Urlaub keine Mehrarbeitszuschläge gezahlt werden sollen, gegen den mindestens zu gewährenden Arbeitnehmerschutz. Hierfür soll nach Ansicht der Luxemburger Richter insbesondere sprechen, dass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die finanzielle Regelung betroffene Arbeitnehmer abgehalten werden, den ihnen zustehenden Jahresurlaub zu nehmen.
Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH stärkt die Rechte von Arbeitnehmern. Die Entscheidung reiht sich damit in die ständige Rechtsprechung des EuGH, nach der hohe Anforderungen an den Arbeitnehmerschutz zu stellen sind, ein.
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