Die maßvolle Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit von 130km/h führt im Falle eines Unfalls nicht zwingend zu einer anteiligen Mithaftung. Entscheidend für eine solche ist, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung mitursächlich für den Unfall war.
Am 14.05.2015 kam es auf der BAB 31 bei Bottrop zu einem Verkehrsunfall. Für diesen Streckenabschnitt ist keine Geschwindigkeitsbegrenzung vorgesehen. Der Kläger fuhr mit seinem Dacia auf der rechten Fahrspur der Autobahn und setzte ohne Blinken und Schulterblick zu einem Spurwechsel an. Dabei übersah er den Beklagten, der in seinem Seat mit einer Geschwindigkeit von etwa 150 km/h auf der linken Fahrbahn fuhr. Daraufhin kam es zu einem Verkehrsunfall.
In der Folge verlangte der Kläger von dem Beklagten 25 Prozent seines Schadens erstattet mit der Begründung, dass dieser durch das hohe Fahrtempo das Risiko eines Unfalls erheblich gesteigert habe. Damit sei er für den entstandenen Schaden auch mitverantwortlich. Das Landgericht Essen hatte sich dieser Ansicht in seinem erstinstanzlichen Urteil vom 28.04.2017 nicht angeschlossen. Hier wurde der Kläger als alleinigen Unfallverursacher zu vollem Schadensersatz gegenüber dem Beklagten verurteilt. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigt diese Auffassung im Rahmen der Revision.
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Das OLG begründet seine Entscheidung zunächst damit, dass die Geschwindigkeit von 150 km/h unter den gegebenen Umständen – es herrschten gute Sichtverhältnisse und die Autobahn war frei – angemessen war.
Grundsätzlich trifft jeden Autofahrer, der sein Auto im Straßenverkehr bewegt, eine Betriebsgefahr, § 7 StVG. Das heißt, dass er neben dem Halter des Fahrzeugs schon allein deshalb haftet, weil er ein Auto gefahren ist. Im Falle eines Unfalls und eines daraus entstehenden Schadens richtet sich die Haftung der einzelnen Unfallbeteiligten nach dem Grad der Mitverantwortung, § 17 StVG. Eine anteilige Haftung kann demnach nur in Fällen der sog. „Unabwendbarkeit“ des Unfalls entfallen.
Beachte:
Ein Unfall ist immer dann unabwendbar, wenn auch bei Einhaltung höchster Vor-und Rücksicht das schädigende Ereignis nicht abwendbar gewesen wäre. Für die Feststellung der Unabwendbarkeit hat der Bundesgerichtshof den Begriff des sog. Idealfahrers entwickelt, der in jeder Situation äußerst sorgfältig und bedacht handelt.
Nach Ansicht des Gerichts würde ein Idealfahrer die Autobahnrichtgeschwindigkeit von 130 km/h nicht überschreiten, da sich mit steigendem Tempo auch die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs erhöht. Ein Unfalls wird also grundsätzlich wahrscheinlicher je schneller gefahren wird. Dies hätte dem Beklagten auch vorgeworfen werden können. Dass der Unfall durch eine geringere Geschwindigkeit des Beklagten jedoch hätte verhindert werden können, ließ sich vorliegend nicht sicher nachweisen.
In dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Fall erfolgte der Fahrspurwechsel des Klägers ohne Rücksichtnahme auf den Verkehr und vielmehr aus Unachtsamkeit. Auch gab es keinen ersichtlichen Grund für das Ausscheren durch den Kläger, sodass der Beklagte nicht mit diesem Verhalten rechnen musste. Dieser schuldhafte und grobe Verkehrsverstoß überwiegt nach Ansicht der Richter die nur maßvolle Überschreitung der Richtgeschwindigkeit des Beklagten um 20 km/h so stark, dass eine anteilige Haftung entfällt.
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Auch bei einer nur geringen Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit besteht das Risiko, dass die Annäherungsgeschwindigkeit des von hinten kommenden Verkehrs unterschätzt wird und sich der Bremsweg erheblich verlängert.
Die Betriebsgefahr eines Kfz erhöht sich nach Ansicht der Rechtsprechung mit steigendem Tempo, was sich auch auf die Mithaftung im Rahmen eines Verkehrsunfalls auswirkt. Die anteilige Haftung kann trotzdem ausgeschlossen sein, wenn sich das überwiegende Verschulden der anderen Unfallbeteiligten beweisen lässt.
Das Erbringen eines solchen Beweises gestaltet sich häufig schwierig und wird praktisch nur im Einzelfall möglich sein. Daher empfiehlt sich grundsätzlich neben einer rücksichtsvollen Fahrweise die Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.
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