Tierhalterhaftung 2023: Wenn das Pferd jemanden vom Fahrrad schubst

Geschrieben von: Kristina Grohs

Gerichte müssen sich regelmäßig mit Fällen befassen, in denen es um die Haftung von Tier- und insbesondere Pferdehaltern geht. In diese Kategorie fällt auch die Entscheidung des Landgericht Koblenz vom 14. Oktober 2022. Das Gericht entschied, dass die Halterin eines Pferdes für Schäden haftet, die dadurch entstanden sind, dass ihr Pferd eine Fahrradfahrerin vom Fahrrad "geschubst" hatte.

Der Sachverhalt

Der Radfahrerin wollte während einer Radtour in der Osteifel im Mai 2021 an zwei entgegenkommenden Reiterinnen vorbeifahren. Als sie die Pferde passierte, stürzte sie und zog sich hierbei verschiedene Prellungen und einen Trümmerbruch der rechten Schulter zu. Sie kam für mehr als eine Woche ins Krankenhaus und wurde operiert.

Die Radfahrerin behauptete, das Pferd habe sie mit dem Hinterteil vom Rad geschubst. Sie forderte von der Halterin des Pferdes Schmerzensgeld sowie die Zahlung von Arzt- und Anwaltskosten. Die Pferdehalterin hatte jedoch die Zahlung verweigert. Sie behauptete, dass die Radfahrerin unachtsam gebremst habe und nur deshalb gestürzt sei.

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Die Tierhalterhaftung

Gemäß § 833 S. 1 BGB haftet ein:e Tierhalter:in auf Schadensersatz, wenn das gehaltene Tier einen Menschen tötet oder den Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt. Hierbei kommt es nicht auf ein Verschulden des Halters an. Vielmehr reicht es für die Haftung, dass sich eine "tierspezifische Gefahr" realisiert hat. 

Tierspezifische Gefahren sind z.B. das Beißen eines Hundes, das Austreten oder Scheuen eines Pferdes.

Die Haftung entfällt gemäß § 833 S. 2 BGB nur, wenn

  • der Schaden durch ein Tier verursacht wird, das dem Beruf des Tierhalters dient und
  • der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. 

Für so genannte "Luxustiere" (gemeint sind herkömmliche Haustiere - z.B. Hunde, Katzen, Hamster - aber auch z.B. Pferde) besteht somit keine Exkulpationsmöglichkeit.

Landgericht folgt Schilderung der Radfahrerin

Der zuständige Richter des Landgerichts war nach dem Ende der Beweisaufnahme von den Darstellungen der Radfahrerin überzeugt: Das Pferd habe sein Hinterteil in Richtung der gerade vorbeifahrenden Radfahrerin gedreht und sie so vom Rad gestoßen. Dabei komme es gar nicht darauf an, ob es tatsächlich zu einer Berührung zwischen dem Pferd und der Radfahrerin gekommen sei. Selbst wenn die Radfahrerin gebremst habe und dabei gestürzt sei, weil das Tier ihr plötzlich mit dem Hinterteil den Weg versperrt habe, habe sich hierdurch die erforderliche Tiergefahr des Pferdes realisiert. Ein Mitverschulden der Radfahrerin nahm das Gericht nicht an.

Daher muss die Pferdehalterin der Radfahrerin nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 € zahlen sowie deren Arzt- und Anwaltskosten übernehmen.

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Fazit

Tierhalter:innen sind einer weitreichenden Haftung für ihre Lieblinge unterworfen. Die Gerichte neigen dazu, den Begriff der spezifischen Tiergefahr weit zu verstehen. Diese kann sich beispielsweise auch realisieren, wenn ein Hund im Weg liegt, schläft und eine Person über das Tier stolpert und stürzt. 

In der Regel ist dann eine volle Haftung der Tierhalter:innen anzunehmen. Das gilt aber dann nicht, wenn den/die Geschädigte:n ein Mitverschulden trifft. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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