Beweislastumkehr bei Tierarzthaftung

13. Mai 2016
Geschrieben von: Dominik Nowak

Der Bundesgerichtshof dehnt die von ihm entwickelten Rechtsgrundsätze zur Beweislastumkehr bei groben ärztlichen Behandlungsfehlern in der Humanmedizin auch auf tierärztliche Behandlungen aus.

Im Falle eines tierärztlichen Behandlungsfehlers musste bisher der Tierhalter neben Vertragsschluss, Behandlungsfehler und Schaden die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den Schaden beweisen, während den Patienten in der Humanmedizin die Regelung einer Beweislastumkehr zugute kommt: Nach § 630 h Absatz 5 BGB wird im Falle eines groben Behandlungsfehlers des Humanmediziners vermutet, dass dieser ursächlich für den Schaden war. Der Beweis des Gegenteils obliegt also dem Arzt.

In den Genuss dieser Beweislastumkehr kommen seit wenigen Tagen nun auch Tierhalter. Mit Urteil vom 10.05.2016, Az. VI ZR 247/15 hat der BGH ihre Geltung auch für grobe tierärztliche Behandlungsfehler bejaht.

Was war passiert?

Geklagt hatte eine Pferdehalterin, deren Pferd - vermutlich durch den Tritt eines Artgenossen – eine Verletzung am rechten Hinterbein erlitten hatte. Der konsultierte Tierarzt verschloss die Wunde und verordnete dem Pferd zwei Tage Ruhe. Weitere Untersuchungen nahm der Tierarzt nicht vor, weshalb ihm entging, dass sich das Pferd, wie der Sachverständige später feststellte, eine Fissur des Knochens zugezogen hatte. Wenige Tage später brach sich das Pferd beim Aufstehen das Bein und musste schlussendlich eingeschläfert werden.

Verfahrensgang

Die Vorinstanzen gaben der Schadensersatzklage der Pferdehalterin statt (LG Osnabrück, 3 O 1449/11; OLG Oldenburg, 14 U 100/14).

Durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei der Klägerin der Beweis eines groben Behandlungsfehlers gelungen, der darin bestanden habe, dass der Tierarzt die Möglichkeit des Vorliegens einer Fissur verkannt habe.

Ein grober Behandlungsfehler ist dann anzunehmen, wenn der Behandelnde eindeutig gegen bewährte medizinische Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Behandelnden schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Hier habe der behandelnde Tierarzt zur Feststellung der Fissur weitere Untersuchungen durchführen und der Tierhalterin sodann empfehlen müssen, das Pferd möglichst ruhig zu halten.

Nicht beantworten konnte der Sachverständige die Frage, ob dieser Behandlungsfehler ursächlich dafür war, dass sich das Pferd später das Bein brach, weshalb es darauf ankam, wem hinsichtlich der Kausalität die Beweislast oblag.

Das Landgericht Osnabrück beantwortete diese Frage unter Anwendung der o.g. Vorschrift zum Behandlungsvertrag in der Humanmedizin und damit zuungunsten des Tierarztes.

Das OLG Oldenburg kam letztlich zu demselben Ergebnis, wenngleich es eine Anwendbarkeit des § 630 H Absatz 5 BGB ablehnte.

Der BGH bestätigte das Urteil nun mit der Begründung, dass sich die Tätigkeiten eines Human- und Veterinärmediziners gleichermaßen auf einen lebenden Organismus bezögen. Bei der tierärztlichen Behandlung komme – wie in der Humanmedizin – dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden sei, eine besondere Bedeutung zu.   Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt habe durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft.

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