In Parkhäusern und Tiefgaragen treffen bauliche Funktionalität und räumliche Enge aufeinander – ein Umfeld, in dem es nicht selten zu Blechschäden kommt. Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts München (Az. 231 C 13838/24) stellt klar: Bestimmte fest verbaute Elemente, etwa ein nicht gekennzeichneter Betonsockel, gelten nicht als überraschendes Hindernis – und lösen daher auch keine Verkehrssicherungspflicht aus.
Im Zentrum des Falls steht eine Münchnerin, die im November 2022 ihren Wagen aus einem Stellplatz in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers rangieren wollte. Beim Rückwärtsfahren streifte sie mit der Beifahrerseite ihres Fahrzeugs einen rechteckigen, etwa kniehohen Betonsockel, der den Fuß einer tragenden Säule bildete.
Die Autofahrerin gab an, der Sockel sei durch Umbauarbeiten entstanden, nicht markiert gewesen und habe bereits mehrere ähnliche Vorfälle verursacht. Ihre Forderung: rund 3.260 € Schadensersatz vom bauausführenden Unternehmen, das aus ihrer Sicht seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei.
Das Amtsgericht München wies die Klage zurück. Nach Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei dem Sockel um ein übliches, gut sichtbares Bauelement, das keine besondere Gefahrenlage schafft. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung ließ sich somit nicht feststellen.
Das Gericht betonte, dass Nutzer von Tiefgaragen mit Einbauten wie Sockeln, Pfeilern und Wandvorsprüngen grundsätzlich zu rechnen hätten. Diese seien in typischen Parkhaussituationen weder ungewöhnlich noch schwer erkennbar – und müssten daher auch nicht besonders gekennzeichnet sein.
Kernaussage des Urteils:
Ein tragender Sockel, der weder besonders klein noch versteckt sei, stelle keine „unerwartete Gefahr“ im Sinne der Verkehrssicherungspflicht dar.
Die sogenannte Verkehrssicherungspflicht ergibt sich aus der allgemeinen deliktsrechtlichen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB. Wer eine bauliche Anlage errichtet, betreibt oder verändert, muss Vorkehrungen treffen, um Schäden Dritter zu vermeiden, soweit dies zumutbar und erforderlich ist.
Allerdings verpflichtet das Gesetz nicht zur vollständigen Gefahrlosigkeit eines Bereichs. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt klargestellt, dass sich die Sicherungspflicht nur auf Gefahren bezieht, mit denen ein durchschnittlich sorgfältiger Benutzer nicht rechnen muss oder die dieser nicht selbst durch eigene Umsicht vermeiden kann.
Im konkreten Fall:
Ein kniehoher Sockel in einer Tiefgarage fällt nicht in diese Kategorie. Er ist weder getarnt noch atypisch – und zählt zu den normalen baulichen Gegebenheiten, mit denen Nutzer konfrontiert werden müssen.
Die Sichtbarkeit eines Hindernisses ist ein zentrales Kriterium bei der Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht. Laut Urteil war der streitgegenständliche Sockel deutlich erkennbar, da er über die Umrisse der darauf stehenden Säule hinausging. Gerade diese optische Ausdehnung spricht gegen die Annahme eines „versteckten Hindernisses“.
Das Gericht betonte, dass kein Anspruch auf eine optische Hervorhebung baulicher Standardelemente besteht – etwa durch Warnfarben, reflektierende Folien oder Hinweisschilder. Eine solche Pflicht entstünde nur bei einer objektiv erhöhten Gefahr, etwa durch plötzliche, untypische bauliche Veränderungen oder schlechte Lichtverhältnisse, die eine Erkennbarkeit stark einschränken würden.
Selbst, wenn man hypothetisch von einer Pflichtverletzung ausgegangen wäre, hätte sich die Klägerin ein erhebliches eigenes Mitverschulden anrechnen lassen müssen. Das Gericht verwies auf § 254 BGB, der besagt, dass ein Geschädigter bei eigenem Fehlverhalten seinen Anspruch auf Ersatz teilweise oder vollständig verliert.
Die Klägerin hatte die Garage bereits rund zwei Monate lang regelmäßig genutzt. Der Zustand der Anlage war ihr somit bekannt oder hätte ihr durch einfache Sorgfalt bekannt sein können. Als Fahrerin traf sie zudem die Pflicht, sich vor dem Rückwärtsausparken gegebenenfalls zu vergewissern, ob sich seitliche Hindernisse im Fahrweg befinden – notfalls durch Aussteigen und Sichtprüfung.
Diese Sorgfaltspflicht ist insbesondere in engen Garagenbereichen relevant, in denen bauliche Elemente naturgemäß näher an der Fahrspur liegen.
Das Urteil hat praktische Bedeutung für alle, die bauliche Anlagen betreiben oder verändern. Es zeigt:
Standardisierte Baustrukturen, die typischerweise in Tiefgaragen vorkommen, müssen nicht zusätzlich abgesichert oder gekennzeichnet werden.
Die Verkehrssicherungspflicht endet dort, wo der Benutzer die Gefahr durch einfache Aufmerksamkeit erkennen und vermeiden kann.
Nur bei atypischen, schwer erkennbaren oder nicht ortsüblichen Hindernissen entsteht eine weitergehende Schutzpflicht.
Trotzdem kann es für Betreiber oder Bauverantwortliche sinnvoll sein, bei baulichen Änderungen freiwillig Maßnahmen wie farbliche Markierungen oder reflektierende Elemente zu ergreifen – etwa aus Kulanzgründen oder zur Vermeidung von Streitigkeiten.
Das Urteil des Amtsgerichts München bietet klare Orientierung: Nicht jedes Hindernis in einer Tiefgarage begründet eine Verkehrssicherungspflicht – besonders dann nicht, wenn es sich um sichtbare, gängige Bauelemente wie Betonsockel handelt. Nutzer sind gefordert, mit Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme zu agieren. Eine Haftung für Standardbauteile besteht nur dann, wenn besondere Gefahrenmomente hinzukommen.
Für Betreiber und Bauunternehmen bedeutet dies Rechtssicherheit bei normgerechter Ausführung. Für Fahrzeugführer jedoch gilt: Wer Rangierfehler macht, trägt in der Regel die Verantwortung selbst.