Polizeieinsätze werden immer öfter aufgezeichnet. Das Filmen übernehmen dabei regelmäßig nicht nur die Betroffenen einer polizeilichen Maßnahme, sondern auch (unbeteiligte) Passant:innen. Aber ist das legal? Mit dieser Frage mussten sich in der Vergangenheit bereits mehrfach Amts- und Landgerichte auseinandersetzen. Nun hat sich erstmals das Oberlandesgericht ("OLG") Zweibrücken geäußert - eine Grundsatzentscheidung fehlt trotzdem weiterhin.
Eine junge Frau hatte im Frühsommer 2020 gegen drei Uhr morgens eine knapp 40 Minuten lange Aufnahme von einem Polizeieinsatz angefertigt. Die Polizisten wollten Verstöße gegen die damals geltenden Corona-Regeln überprüfen, Hinweisen auf Drogenkonsum nachgehen und stellten bei einer Gruppe von rund 20 Personen die Personalien fest. Die Gruppe hatte sich an einem frei zugänglichen Teich nahe der Fachhochschule versammelt. Die Frau, die nicht zu der kontrollierten Gruppe gehörte, wollte die Begegnung mit der Polizei festhalten und filmte. Dabei richtete sie die Kamera auf den Boden und nahm vor allem den Ton des Einsatzes auf. Sie betonte immer wieder, keine Portraitaufnahmen anzufertigen.
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Gemäß § 201 (1) Strafgesetzbuch ("StGB") wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt
Dabei geht es also nur um den Ton. Es sollen vor allem vertrauliche Gesprächssituationen vertraulich bleiben.
Problematisch ist bei in der Öffentlichkeit stattfindenden Polizeieinsätzen dabei das Merkmal "nichtöffentlich". In der Rechtsprechung und Literatur wird beispielsweise vertreten, bei Polizeieinsätzen oftmals "faktische Öffentlichkeit" gegeben sei. Das meint eine Situation, in der beliebige weitere Personen von einem öffentlichen Ort aus die Aktion wahrnehmen können. Gespräche, die in einer solchen Umgebung geführt werden, sollen demnach von vornherein nicht unter die Strafvorschrift fallen.
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Das OLG nahm im vorliegenden Fall jedoch eine Strafbarkeit nach § 201 (1) StGB an. Denn weil die Polizeikontrolle um kurz nach drei Uhr am Morgen und in einem "begrenzten Bereich" stattgefunden habe, sei aus Sicht der Sprechenden nicht davon auszugehen gewesen, dass noch andere als die Personen vor Ort mithören konnten.
Dies reiche aus, um von einem "nichtöffentlichen" Gespräch und damit einer strafbaren Aufnahme auszugehen, so die Richter:innen.
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Das OLG stellte auch darauf ab, dass die junge Frau mit ihrem Smartphone den Polizeibeamten bei ihrer Kontrolle folgte, um auch Gespräche aufnehmen zu können, die abseits der Gruppe geführt wurden. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung verschiedener Gerichte: Wo Gespräche bewusst abgeschirmt werden, kann eine Aufnahme strafbar sein.
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Auch eine Notwehr oder Notstandslage der Frau lehnte das Gericht ab. Denn es hätten "keinerlei Anhaltspunkte" für ein rechtswidriges Handeln der Beamten vorgelegen. Die Angeklagte habe sich auch nicht in Beweisnot befunden, so die Richter:innen: Die Angabe, "schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit" gemacht zu haben, reichte dem Gericht nicht.
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Die Entscheidung des OLG führt nicht zu mehr Rechtssicherheit. Der Begriff des "nichtöffentlich" gesprochenen Wortes wurde zwar durch die Rechtsprechung etwas konkretisiert. Dennoch bleibt es weiter dabei, dass eine Strafbarkeit wegen der Aufnahme eines Polizeieinsatzes eine Entscheidung im Einzelfall bleibt.
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Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
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