Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat in einem Revisionsverfahren dem Kläger einen Anspruch auf einen höheren Stundenlohn zugesprochen. Dabei ging es um das Verhältnis zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten.
Kläger ist seit dem 1. April 2015 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Die Beklagte führt Notfallrettung und Krankentransporte durch.
Als Rettungsassistenten sind bei der Beklagten „hauptamtliche“ und „nebenamtliche“ angestellt. Auch unter den hauptamtlichen Beschäftigten gibt es Voll- und Teilzeitanstellungen. Hauptamtliche Rettungsassistenten bekommen 17 Euro pro Stunde, nebenamtliche nur 12 Euro.
Maßgebliche Unterschiede gibt es vor allem im Rahmen der Zuteilung von Arbeitsstunden. Nebenamtliche Rettungsassistenten werden zu den Diensten nicht einseitig eingeteilt, sie können sich viel mehr melden und Wunschtermine für Einsätze benennen. Bei hauptamtlichen Rettungsassistenten erfolgt die Zuteilung einseitig durch den Arbeitgeber.
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Ein „nebenamtlicher“ geringfügig beschäftigter Mitarbeiter klagte auf Zahlung einer Differenzvergütung für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021. Die Summe beläuft sich auf 3.285,88 Euro nebst Zinsen.
Er argumentierte dabei, die unterschiedliche Stundenvergütung verstoße gegen das gesetzliche Verbot der Benachteiligung wegen Teilzeitbeschäftigung.
Die Beklagte jedoch meinte, eine Ungleichbehandlung liege gar nicht vor, weil haupt- und nebenamtliche Rettungsassistenten nicht miteinander vergleichbar seien. Dies führte sie eben darauf zurück, dass die nebenamtlichen Rettungsassistenten sich ihre Schichten selbst wünschen dürften. Dies bedürfe in der Planung ihrer Arbeitszeiten eines größeren Aufwandes als bei den hauptamtlichen Rettungsassistenten. Solche könnten schließlich einseitig von der Arbeitgeberin eingeteilt werden.
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Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) München v. 19.1.2022 - 10 Sa 582/21 ging die Beklagte in Revision.
Das Urteil der Revision (BAG, Urt. v. 18.1.2023 – 5 AZR 108/22) sah den Kläger im Recht. Die vertragliche Vereinbarung über eine Stundenvergütung von 12 Euro ist aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 4 I TzBfG nach § 134 BGB nichtig. Der Kläger hat demnach gem. § 612 II BGB einen Anspruch auf die noch ausstehende Vergütung.
Der Kläger erbringe die Qualifikation zum auf Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmer durch die geringfügige Beschäftigung iSd. § 2 II TzBfG. Als teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sei der Kläger hier im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten schlechter behandelt worden.
Schon gewusst?
Gem. § 4 Abs. 1 S.2 TzBfG muss sich Vergütung anteilig nach der der Vollzeitbeschäftigten richten. Der maßgebliche Unterschied zwischen teil- und vollzeitbeschäftigten Angestellten richtet sich nach der Quantität der erbrachten Leistung und nicht nach der Qualität. Im Urteil heißt es dazu:
„Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Diese Regelung beruht auf dem allgemeinen Prinzip, dass die Höhe des Entgelts bei Teilzeitbeschäftigten quantitativ vom Umfang der Beschäftigung abhängt. Teilzeitarbeit unterscheidet sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Eine geringere Arbeitszeit darf daher grundsätzlich auch nur quantitativ, nicht aber qualitativ anders abgegolten werden als Vollzeitarbeit (vgl. BVerfG 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - zu B II 2 a aa der Gründe, BVerfGE 97, 35; BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 266/11 - Rn. 23). Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft (BAG 23. März 2021 - 3 AZR 24/20 - Rn. 11 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).“
„Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt allerdings nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften (vgl. BAG 23. Juli 2019 - 9 AZR 372/18 - Rn. 23 mwN). Die Rechtfertigungsgründe müssen anderer Art sein, zB auf der Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (vgl. BAG 18. März 2014 - 9 AZR 694/12 - Rn. 22). Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich am Zweck der Leistung zu orientieren (vgl. BAG 23. März 2021 - 3 AZR 24/20 - Rn. 15; 29. Januar 2020 - 4 ABR 26/19 - Rn. 28, BAGE 169, 351).“
BAG, Urteil vom 18.01.2023 - 5 AZR 108/22
In der Begründung der Beklagten, die niedrigere Stundenvergütung für Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten sei gerechtfertigt, weil es für die Planung der Arbeitszeiten von nebenamtlich Beschäftigten eines größeren Aufwandes bedürfe, reicht für einen „sachlichen Grund“ iSd. § 4 I S.1 TzBfG nicht aus. Ausgeführt wurde hierzu, es fehle an einem Zusammenhang zwischen der besseren Bezahlung der hauptamtlichen Rettungsassistenten und größerer Planungssicherheit. Die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die höhere Bezahlung er hauptamtlichen Rettungsassistenten geeignet ist, eine größere Planungssicherheit herzustellen.
„Nicht die Höhe der Vergütung, sondern die Stellenplanung durch die Beklagte ist der Grund dafür, dass sie nicht mehr hauptamtliche Rettungsassistenten beschäftigt“
BAG, Urteil vom 18.01.2023 - 5 AZR 108/22
Insgesamt geht aus dem Urteil der Tenor hervor, dass ein Arbeitgeber nachvollziehbar und sachlich begründen muss, warum für ihn eine unterschiedliche Vergütung der Arbeitnehmer notwendig ist. Dazu zählen kann etwa, darzulegen, den Bedarf an Arbeitnehmern besser decken zu können, wenn man einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern (in diesem Fall hauptamtliche) eine höhere Stundenvergütung zahle.
Auch für das Argument der Beklagten, der Planungsaufwand für die Arbeitszeiten der nebenamtlich Beschäftigten sei höher, bedürfe es klarer Darlegungen des Planungsaufwandes beider Gruppen im Verhältnis zu einander. Diese lagen im vorliegenden Fall nicht vor.
Den Ausführungen der Beklagten zuwider, stellte das Urteil sogar darauf ab, ein geringerer Aufwand für die Planung der Arbeitszeit von hauptamtlichen Rettungsassistenten sei nicht zwingend gegeben. So bringe die Planung der Arbeitszeit von hauptamtlichen andere Widrigkeiten mit sich als die der nebenamtlichen Rettungsassistenten; etwa die vorgegebene Grenzen im Bezug auf Arbeitszeit und Pausen durch das Arbeitszeitengesetz (ArbZG), die teilweise bei den (geringfügigen) nebenamtlichen Rettungsassistenten entfielen. Diese wiederum verringerten den Planungsaufwand sogar teilweise, indem sie sich ihre Schichten zunächst selbst auswählen würden.
Ein „sachlicher Grund“, der eine unterschiedliche Vergütung rechtfertigen würde, könne indes vorliegen, wenn die zeitliche Flexibilität für die Ausführung der dem Arbeitnehmer übertragenen spezifischen Aufgaben von Bedeutung ist (vgl. EuGH 27. Oktober 1993 - C-127/92 )
Im Bezug auf die gleich qualifizierte Arbeit führt das Urteil aus:
„[…] Die Arbeitnehmer beider Gruppen üben in den Diensten, in denen sie tätig werden, aufgrund gleicher Qualifikation die identische Arbeit aus. Eine Differenzierung in der Stundenvergütung ist in dieser Situation mit dem Argument, dass vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden, sachlich nicht zu begründen (MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. TzBfG § 4 Rn. 44). In der gebotenen Gesamtschau kann im Streitfall keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer gerechtfertigt werden, der frei darüber entscheiden kann, ob er Dienste annimmt oder ablehnt.“
BAG, Urteil vom 18.01.2023 - 5 AZR 108/22