Jede, die schon einmal einen Vertrag im Internet geschlossen hat, hat sie schon einmal gesehen: die Widerrufsbelehrung. Nach europäischen Recht gibt es bei den meisten online oder sonst außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein vierzehntägiges Widerrufsrecht. Aber nur, wenn eine Belehrung dabei ist und sie außerdem richtig ist. Fehlt sie, verlängert sich das Widerrufsrecht auf mindestens ein Jahr. Das hat in der Vergangenheit vor allem im Bankensektor dazu geführt, dass tausende Bankkunden ihre Darlehnsverträge widerrufen konnten und so in den Genuss besserer Zinsbedingungen kamen. Wir berichteten. Der Europäische Gerichtshof schärft das Recht aber fortlaufend. Nun entschied er, dass Verbrauchende, auch wenn sie nach Vertragserfüllung den Vertrag widerrufen, keinen Cent zahlen müssen (Az.: C‑97/22).
2011 haben das europäische Parlament und der Rat entschieden, dass Verbraucherrechte bei außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossenen Verträge gestärkt werden. Die wesentlichste Funktion, die dieses Gesetzespaket mit sich brachte, ist das Widerrufsrecht. Grundsätzlich vierzehn Tage ab Vertragsschluss oder Erhalt der Ware hat der Verbauchende die Möglichkeit, den Vertrag zu wiederufen. Einige Ausnahmen existieren jedoch. Sie sind in § 312 Bürgerliches Gesetzbuch ("BGB") aufgeführt Das Widerrufsrecht gilt nicht für Verträge für:
Insgesamt behandelt der Europäische Gerichtshof die Ausnahmen aber restriktiv. Entsprechend urteile der Bundesgerichtshof, dass etwa eine Matratze kein versiegelter Hygenieartikel ist.
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Besonders ist, dass das Widerrufsrecht Unternehmer bestraft. Sobald Unternehmer nicht den umfassenden Informationspflichten nachkommen und Verbrauchende nicht gesetzestreu über ihre Rechte informieren, verlängert sich das Widerrufsrecht um in der Regel ein Jahr. Diese Verlängerung soll dafür sorgen, dass Unternehmer ihren Verpflichtungen nachkommen.
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Die europäische Richtlinie sieht auch vor, wie mit Leistungen des Verbrauchenden verfahren werden soll, die dieser vor Ablauf der Widerrufsfrist leistete:
Artikel 14 Pflichten des Verbrauchers im Widerrufsfall
(1) [...]
(3) Übt ein Verbraucher das Widerrufsrecht aus, nachdem er ein Verlangen gemäß Artikel 7 Absatz 3 oder Artikel 8 Absatz 8 erklärt hat, so zahlt er dem Unternehmer einen Betrag, der verhältnismäßig dem entspricht, was bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher den Unternehmer von der Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet, im Vergleich zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Leistungen geleistet worden ist. [...]
(4) Der Verbraucher hat nicht aufzukommen für:
a) Dienstleistungen, [...] die während der Widerrufsfrist ganz oder teilweise erbracht wurden, wenn
i) der Unternehmer es unterlassen hat, die Informationen gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben h oder j bereitzustellen oder
[...]
(5) Sofern in Artikel 13 Absatz 2 und diesem Artikel nichts anderes vorgesehen ist, kann der Verbraucher aufgrund der Ausübung seines Widerrufsrechts nicht in Anspruch genommen werden.
Artikel 14 der Richtlinie differenziert zwischen Waren und Dienstleistungen. Dienstleistungen versteht die Richtlinie dabei weit, sie meint fast alles, was nicht den Verkauf von Waren betrifft. Waren müssen gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie vom Verbrauchenden zurückgeschickt werden. Für andere Dienstleistungen gilt nach Artikel 14 Absatz 3, dass dem Unternehmer ein verhältnismäßiger Zahlungsanspruch zusteht, der sich am mittleren Marktwert orientiert. Allerdings steht dem Unternehmer dieser Anspruch nur zu, wenn der Verbauchende in einen Vertragsbeginn vor Ablauf der Widerrufsfrist einwilligte. Ist das nicht der Fall, richtet sich bei Dienstleistungen die Rückabwicklung nach Absatz 5. Mit anderen Worten: Der Unternehmer erhält nichts.
Der Vorstehende wirkt etwas technisch. Zu merken gilt: Sobald keine Waren verschickt werden, sondern ein Unternehmer irgendetwas anderes leistet und der Verbrauchende den Vertrag nach Ausführung widerruft, stipuliert Artikel 14 Absatz 5 der Richtlinie, dass dem Unternehmer keine Ansprüche zustehen. (Außer der Vertrag sollte vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen).
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Das Landgericht Essen wandte sich an den Europäischen Gerichtshof. Es hatte folgenden Fall zu entscheiden: Ein Handwerker und der spätere Beklagte schlossen außerhalb von Geschäftsräumen (wohl telefonisch) einen Vertrag zu Elektroarbeiten am Haus des Beklagten. Der Unternehmer versäumte es, den Beklagten über sein Widerrufsrecht zu informieren. Nachdem die Arbeiten mangelfrei durchgeführt worden waren, weigerte sich der Beklagte die Elektroarbeiten zu bezahlen. Einige Monate nach Durchführung der Arbeiten kündigte er. Daraufhin klagte der Handwerker.
Das Landgericht Essen meldete Zweifel an. Es könne nicht sein, dass nach Anwendung des europäischen Rechts der Handwerker keinen Anspruch auf den vereinbarten Preis habe. Rechtlich führte es das Verbot ungerechtfertigter Bereicherung an.
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Der Europäische Gerichtshof brauchte nur sechs Randnummern (weniger als eine Seite) um seine schlichte Antwort und Begründung darzustellen. Der Gerichtshof antworte dem Landgericht Essen: Der Verbraucher muss nicht zahlen. Die Richtlinie sei eindeutig und würde nur in bestimmten Fällen einen Verbrauchenden im Falle des Widerrufs verpflichten, Zahlungen zu leisten. Diese Fälle seien schlicht nicht einschlägig. Das Ziel der Richtlinie, Verbraucherschutz europaweit zu gewährleisten, würde konterkariert, wenn sich der deutsche Handwerker auf das Verbot ungerechtfertigter Bereicherung berufen könne.
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Die simple und schlichte Antwort des Europäischen Gerichtshof dürfte in keinem Verhältnis zu ihren Konsequenzen stehen. Unternehmer müssen besonders vorsichtig sein, wenn es um außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge geht. Belehren sie nicht ordnungsgemäß über die Widerrufsmöglichkeiten, können ihnen ohne Kompensation wertvolle Einnahmen verloren gehen.
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