Reiserecht 2023: Erstattung des Flugpreises bei verspäteter Gepäckzustellung

Geschrieben von: Henrik Noszka

Auslandsreisen sind in der Regel schöne Erlebnisse. Allerdings kann sich das Blatt schnell wenden, wenn nicht alle Glieder in der Kette richtig funktionieren. Das Oberlandesgericht Celle hatte sich mit einer solchen fehlerhaften Funktion auseinanderzusetzen: Am 20.10.2022 urteilte es,  wie Fluggäste zu stellen sind, die ihr Gepäck während einer Auslandsreise nicht rechtzeitig erhielten.

Der Sachverhalt

Ein Freund einer Familie hatte bei einer türkischen Luftverkehrgeselschaft einen Hin- und einen Rückflug nach Kenia gebucht. Der Hinflug war auf den 05.08.2019 und der Rückflug auf den 24.08.2019 datiert. Der mitreisende Freund (der seine Ansprüche in einem noch nicht entschiedenen Parallelprozess verfolgt) wollte in Kenia mit der Familie seinen 50 Geburtstag feiern. Für die vierköpfige Familie kosteten die Tickets pro Person ca. 580 Euro. 

Die türkische Airline beförderte die Passagiere plangemäß nach Kenia. Ihr Gepäck traf jedoch erst mit einer Woche Verspätung in Kenia ein. Das Gepäck enthielt unter anderem mit Malariaprophylaxe behandelte Kleidungstücke sowie die festliche Garderobe für den 50 Geburtstag des Mitreisenden und Medikamente. Der Geburtstag war in der ersten Reisewoche im Landesinneren geplant. 

Für Ersatzbeschaffungen wandte die Familie ca. 390 Euro auf. Die Kosten dafür forderten sie zurück. Sie fordern aber zusätzlich, dass die Flugkosten übernommen werden. Die Familie ist der Ansicht, dass die Fluggesellschaft sie darauf hätte hinweisen müssen, dass die Möglichkeit bestehe, dass ihr Gepäck erst mit einer Verzögerung befördert werde.

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Allgemein: Hinweis- und Aufklärungspflichten

Einigen sich Parteien auf einen Vertrag oder haben sie ernstlich vor, einen solchen zu schließen, schulden sich die Parteien im Einzelfall eine Aufklärung über bestimmte Umstände. Dabei gelten jedoch einige Faustregeln. Grundsätzlich ist jede Vertragspartei für seine eigene Sphäre verantwortlich. Sie darf also nicht darauf vertrauen, dass die andere Partei ihr sämtliche relevante Informationen zukommen lässt. Dieser Grundsatz wird aber durchbrochen, wenn es sich um solche Informationen handelt, auf die nur eine Vertragspartei Zugriff haben kann (zum Beispiel Schädlingsbefall am Wohnhaus, die Verwendung von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder dass ein Wohnhaus unter Denkmalschutz steht). Eine weitere Faustregel ist, dass auf Fragen in der Regel wahrheitsgemäß geantwortet werden muss (ausnahmsweise gibt es auch ein "Recht zur Lüge").

Der rechtliche Anknüpfungspunkt für derartige Pflichten ist § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch ("BGB"): "Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten."

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LG Hannover: Ersatzbeschaffungskosten werden ersetzt

Die Vorinstanz - das Landesgericht Hannover - entschied, dass die Ersatzbeschaffungskosten für die nicht rechtzeitig transportieren Kleidungsstücke vollumfänglich ersetzt werden müssen. Im Prozess vor dem Oberlandesgericht ging es also nur noch um die Erstattung der Flugkosten. 

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OLG Celle: Hinflug - Flugpreis zurück

Das Oberlandesgericht Celle kam zu dem Ergebnis, dass die Fluggesellschaft über die Möglichkeit des verzögerten Transportes des Gepäcks hätte aufklären müssen. Die Folge des verzögerten Transportes des Gepäckes seien dabei derart gravierend, dass der Hinflug wertlos werde: "Ein durchschnittlicher in Europa lebender Fluggast, der keine privaten Bezüge – etwa dort lebende Familienangehörige – an seinem Zielort hat, welcher in einem weniger entwickelten und in vielerlei Hinsicht kulturell fremden Land liegt, wird durch das dauerhafte Fehlen seines Gepäcks in seinem dortigen Aufenthalt – gleich, ob er touristischen oder geschäftlichen Zwecken – dient, in einem Umfang beeinträchtigt, der einer Nichtanreise gleichkommt." 

Auch die Ersatzbeschaffung der Kleidung (die in der ersten Instanz zugesprochen wurde) könne diesen Nachteil nicht kompensieren: "Die Ersatzbeschaffung für den Gepäckinhalt erfordert unter diesen Umständen – soweit überhaupt möglich – einen deutlich höheren Zeitaufwand, so dass die Erreichung des eigentlichen geplanten Reisezwecks nachhaltig gestört ist."

Damit seien der Familie jedenfalls die Kosten für den Hinflug zu ersetzen. 

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OLG Celle: Rückflug anders zu beurteilen

Für den Rückflug kam das Gericht aber zu einem anderen Schluss. Die Familie hätte am 24.08.2019 einen Rückflug gebraucht, um nach Deutschland zurückzukommen. Die "fraglos unerfreulichen Umstände des zuvor in Kenia verbrachten Aufenthalts" wirkten sich nicht auf die Rückreise aus. Damit sei diese als ein Vorteil anzurechnen und schadensrechtlich nicht zu ersetzen. 

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OLG Celle: Anders bei Pauschalreise

Ferner führte das Oberlandesgericht Celle aus, dass der Fall anders zu behandeln wäre, wenn die Familie eine Pauschalreise abgeschlossen hätte. Die Pauschalreise ist in den §§ 651a ff. BGB geregelt. Die Vorschriften sind europarechtlich vorgegeben. Im Falle einer Pauschalreise, die vorliegt, sobald "mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise" gebucht werden (also etwa Flug und Hotel, gibt es besondere Schadensersatzbestimmungen. Die Familie hätte vermutlich auch die "unerfreulichen Umstände", die die gesamte Reise überschatteten, im Rahmen dieser Ansprüche geltend machen können.

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Fazit

Selbst wenn Reisende keine Pauschalreise buchen, kommt ihnen weitreichender Schutz zu. Das Urteil betont die Pflichten, die Fluggesellschaften gegenüber ihren Passagieren haben. Sofern Gepäck nicht rechtzeitig ankommt, sollte sich also kurz anwaltlich abgesprochen werden, damit überblickt werden kann, wie weit etwaige Ausgaben bestehen und erstattungsfähig sind. 

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