Die Fluggastrechteverordnung existiert schon seit knapp 20 Jahren - dennoch tun sich immer wieder ungeklärte Randfragen auf. So nun auch am 09.03.2023 vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe (Az.: IX ZR 91/22). Der Gerichtshof klärte nun endgültig die Frage, ob Reisende einer Fluggesellschaft, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, eine Entschädigung zusteht. Im Juli letzten Jahres entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main noch, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Wir berichteten!
Kunden eines Flugunternehmens haben im Falle von Verspätungen oder Annullierungen grundsätzlich Ansprüche auf eine geldwerte Pauschale, Hotelunterkunft und ausreichend Verpflegung während der Wartezeit. Die Ansprüche werden schon dann ausgelöst, wenn ein Flug mit mehr als zwei Stunden Verspätung sein Ziel erreicht.
Erfahren Sie hier mehr zu den genauen Voraussetzungen der Ansprüche und der Höhe der Entschädigung: Ansprüche bei Flugverpätung und Flugausfällen!
Für Dezember 2019 buchte ein Mann für sich uns seine Begleitung zwei Flüge von Frankfurt am Main nach Samara. Nachdem er die Tickets bezahlte und noch bevor er und seine Begleitung die Reise antraten, am 01.12.2019, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Sie setzte dennoch in Eigenverwaltung den Flugbetrieb fort. Entsprechend fanden die vom Kläger gebuchten Flüge im Dezember 2019 statt. Allerdings verspätete sich der Rückflug um knapp vier Stunden. Im November 2020 wurde das Insolvenzverfahren der Fluggesellschaft aufgehoben.
Der Mann verlangt nun Ausgleichzahlungen nach der Fluggastrechteverordnung von je 600 Euro.
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Virulent im Fall war, ob die Flüge kostenlos waren. Wäre das der Fall, würde der Anspruch entfallen. Das ergibt sich aus Artikel 3 Fluggastrechteverordnung, der den Anwendungsbereich der Verordnung postuliert:
Artikel 3 Fluggastrechteverordnung Anwendungsbereich
(1) [...]
(3) Diese Verordnung gilt nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Sie gilt jedoch für Fluggäste mit Flugscheinen, die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen ausgegeben wurden.
Unentgeltlich reisen etwa Kleinkinder, die keinen Flugpreis entrichten und ohne Sitzplatzanspruch auf dem Schoß der Eltern reisen, ebenso wie Flugpersonal, das etwa einen Flug unentgeltlich als dienstlichen Zubringerflug nutzt. Fraglich ist allerdings, ob ein Flug in der Insolvenz automatisch unentgeltlich erfolgt. Dafür spricht, dass der Anspruch gerichtlich gegen die Fluggesellschaft nicht durchsetzbar wäre.
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Der Bundesgerichtshof klärte die vor Oberlandesgerichten umstrittene Frage und entschied, dass ein Flug auch während der Insolvenz nicht unentgeltlich sei. Ob der Anspruch auf Beförderung vor einem Gericht eingeklagt werden könne, sei nicht entscheidend.
Mit der Entscheidung stärkt der Bundesgerichtshof Rechte von Flugreisenden. Sie können nun auch für "freiwillig" angebotene Flüge, die sich verspäten, eine Entschädigung verlangen.
Bei weiteren Fragen zum Thema Reiserecht oder allgemeinen rechtlichen Fragen stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
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Rechtsanwälte für Reiserecht in Essen