Reiserecht 2022: Schadensersatz für psychische Unfallfolgen?

Geschrieben von: Henrik Noszka

 Der Begriff Urlaub steht eigentlich für Erholung und eine entspannte Zeit. Leider kommt es immer wieder zu Unfällen, die der Erholung einen Strich durch die Rechnung machen und die sich sogar physisch auswirken können. "Schlimmer" wird es nur noch, wenn es nicht bei dem physischen Ereignis bleibt, sondern das Ereignis mit nach Hause genommen wird. Der Europäische Gerichtshof hat am 20.10.2022 die Frage zu entscheiden, ob Schadensersatz geleistet werden kann, wenn ein Urlauber durch ein Ereignis während seiner Reise ein posttraumatisches Belastungssyndrom entwickelt. 

Der Sachverhalt

Eine Österreicherin hatte einen Flug bei der Fluggesellschaft Lauda gebucht (eine Billigfluggesellschaft, die mittlerweile aufgelöst ist). Während des Flugs kam es zu einer Panne und das Flugzeug musste notevakuiert werden. Die Reisende verließ das Flugzeug über einen Notausstieg, der in der Nähe eines Flügels gelegen war. Während des Ausstiegs liefen allerdings noch die Turbinen des Flugzeuges. Dadurch wurde die Österreicherin durch die Luft geschleudert und verletzt sich. Im Nachgang entwickelte sie wegen der Stresssituation und ihres Unfalls eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie verlangt wegen der psychischen Erkrankung Schadensersatz von Lauda. 

Lauda wendet dagegen ein, dass sie nur für physische und nicht für psychische Verletzungen einzustehen habe. Die Reisende zog daraufhin in Österreich vor Gericht. Ein österreichisches Gericht wandte sich sodann an den Europäischen Gerichtshof. 

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Übereinkommen von Montreal

Der Flugverkehr ist größtenteils international vereinheitlicht. Das wichtigste Dokument ist das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ("Übereinkommen von Montreal") von 1999. In der Frage, die das österreichische Gericht dem europäischen Gerichtshof vorlag, ging es auch um dieses Abkommen. Schwerpunkt war Art. 17 des Übereinkommen von Montreal. Lauda ist der Ansicht, dass wegen der Formulierung des Artikels nur physische Schäden erfasst seien.

Artikel 17 Tod und Körperverletzung von Reisenden - Beschädigung von Reisegepäck

(1) Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.

(2) [...]

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Tradition im Schadensrecht: Physische Schäden

Sprechen Gesetze von einer "Körperverletzung" ist damit in aller Regel - sowohl überwiegend international als auch national - eine Verletzung der physischen Integrität gemeint. Das liegt daran, dass die meisten Normen, die diesen Bereich regeln, verhältnismäßig alt sind und sich das öffentliche Bild und insbesondere die Anerkennung von psychischen Erkrankungen als mindestens gleichwertig erst in jüngster Vergangenheit drastisch gewandelt hat. Zwar gibt es schon länger Tendenzen, dass auch solche psychischen Einschränkungen Körperlichen gleichgestellt werden. Jedoch sind die Hürden noch hoch. 

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EuGH: Schadensersatz möglich

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass eine Körperverletzung im physischen Sinne mit einer anerkannten psychischen Erkrankung vergleichbar sein kann. Der Gerichtshof führt aus, psychische Folgen könnten derart intensiv sein, dass sie mit einer körperlichen Erkrankung oder einer körperlichen Schädigung im physischen Sinne vergleichbar seien. Diese  leitet der Europäische Gerichtshof auch aus der Entstehungsgeschichte des Übereinkommen von Montreal ab.

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Aber: Hohe Hürden

Der Gerichtshof machte aber auch deutlich, dass hohe Hürden erreicht werden müssen, damit eine psychische Erkrankung einem körperlichen Schaden gleichgestellt wird. Der verletzte Flugreisende müsse durch ein Gutachten beweisen, dass eine psychische Beeinträchtigung vorliegt, die von einer solchen Schwere ist, dass sie sich auf seine generelle körperliche Gesundheit auswirkt und einer Behandlung bedarf und außerdem, dass sie im Zusammenhang mit der Flugreise steht. 

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Fazit

Die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs stärkt einerseits richtungsweisend die Menschen, die aufgrund von Unfällen auf Urlaubsreisen psychische Erkrankungen davontragen. Andererseits stellt die Entscheidung aber auch hohe Hürden auf, sodass Fluggesellschaften nicht von Klagen "überschwemmt" werden sollten. Beachtenswert ist in diesem Kontext noch, dass Entscheidungen des Gerichtshofs grundsätzlich "zurückwirken", das bedeutet, dass auch wenn eine psychische Erkrankung vor der Entscheidung während einer Reise ausgelöst wurde, könnte ein Schadensersatzanspruch bestehen. 

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