Ein Unternehmen hat sich an kartellrechtliche Regelungen zu halten. Verletzt es diese, kann dies zu Unternehmensgeldbußen führen. Doch kann das Unternehmen diese auf den Geschäftsführer abwälzen?
Die rechtliche Grundlage für die Haftung von Geschäftsführern findet sich im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Gemäß § 30 OWiG kann gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung eine Geldbuße verhängt werden, wenn jemand, der als Leitungsperson handelt, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht, wodurch Pflichten des Unternehmens verletzt werden. Zudem regelt § 130 OWiG die Verantwortlichkeit von Führungskräften für die Aufsichtspflicht: Vernachlässigen sie diese und es kommt dadurch zu einer Ordnungswidrigkeit, können sie persönlich belangt werden.
Die Frage, ob ein Unternehmen ein gegen es verhängtes Kartellbußgeld auf seine Geschäftsführer abwälzen kann, ist aktuell Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs (BGH) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH, KZR 74/23). Das Urteil könnte erhebliche Auswirkungen auf die Haftung von Unternehmensleitern haben.
Unternehmen können für Verstöße gegen das Kartellrecht mit empfindlichen Geldbußen belegt werden, insbesondere nach § 81 GWB. Dabei stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang ein Unternehmen diese Bußen intern an seine Organe weiterreichen kann. Bisher wurde die Verantwortlichkeit vorrangig aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive betrachtet.
Nach § 43 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 2 AktG haften Geschäftsführer und Vorstände für Pflichtverletzungen gegenüber ihrem Unternehmen. Eine Pflichtverletzung kann auch darin bestehen, dass ein Kartellverstoß durch unzureichende Compliance-Maßnahmen oder aktives Mitwirken begangen wurde. Dies könnte zu einem Regressanspruch des Unternehmens führen.
Der EuGH soll nun klären, ob eine solche Abwälzung mit dem EU-Kartellrecht vereinbar ist. Insbesondere ist fraglich:
Darf ein Unternehmen eine gegen es verhängte kartellrechtliche Geldbuße an seine Unternehmensleitung weiterreichen?
Widerspricht dies dem Abschreckungseffekt des Kartellrechts, wenn eine Persönlichkeit hinter der juristischen Person haftet?
Kann eine solche Praxis Unternehmen veranlassen, sich intern gegen Kartellbußen abzusichern und damit die intendierte Sanktionswirkung zu unterlaufen?
Sollte der EuGH eine solche Haftung ausschließen, wäre dies eine erhebliche Erleichterung für Unternehmensleiter, würde aber zugleich die Notwendigkeit stärkerer Compliance-Mechanismen in Unternehmen betonen. Bestätigt der EuGH die Möglichkeit eines Regresses, müssten sich Geschäftsführer und Vorstände auf ein deutlich erhöhtes persönliches Haftungsrisiko einstellen.
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