Ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) sieht vor, dass die Polizei künftig Verdächtige, Zeugen oder Opfer über Fotos im Internet identifizieren kann.
Auch, wenn der Gedanke der automatisierten Gesichtserkennung für viele Menschen einen unangenehmen Beigeschmack hat, ist es in der Strafverfolgung eine Methode, die an Zielsicherheit nicht zu übertreffen ist.
Bisher führt die Polizei auch schon automatisierte Gesichtserkennung durch, allerdings kann die Polizei die Fotos von Personen, die identifiziert werden sollen bisher nur mit den biometrischen Daten der polizeilichen Inpol-Foto-Datenbank abgleichen. Auf dieser finden sich Profile zu allen erkennungsdienstlich Behandelten Personen, sowie Asylsuchenden. Von etwa 7.700 Suchanfragen konnten binnen eines Jahres bereits über 2.800 Treffer erzielt werden - also eine Trefferquote von über einem Drittel.
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Künftig soll die Polizei nach dem Entwurf des BMI nicht mehr an die in der Datenbank hinterlegten Profile gebunden sein, sondern jedes im Internet frei zugängliche Bild zur Identifikation nutzen dürfen.
Nancy Faeser stand mit ihrem Ministerium unter Zugzwang, nachdem Anfang diesen Jahres ein Journalist mit geringem Aufwand die über Jahrzehnte untergetauchte und wegen Mordes gesuchte RAF-Terroristin Daniela K. hatte aufspüren können.
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Zwei prominente Beispiele sind das polnische Unternehmen PimEyes und Clearview. Ersteres wurde sowohl in Italien als auch in Griechenland zu hohen Geldstrafen verurteilt. Das Geschäftsmodell bestand darin, im Internet zugängliche Bilder in firmeneigenen Datenpools zu speichern. Eine solche kommerzielle Suchmöglichkeit verstoße gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung, denn die Abgebildeten hätten nie zugestimmt, so das Urteil.
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In der Strafprozessordnung (StPO) soll der biometrische Abgleich für Landespolizeien zur Strafverfolgung dann erlaubt sein, wenn es mindestens um mittlere, also erhebliche Kriminalität handelt. Das Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei sollen durch die Änderungen Straftaten verhindern können, soweit sie zuständig sind, etwa bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder der Schleusung von Ausländern.
Der Entwurf sieht des Weiteren die Möglichkeit vor, sogenannte "Staatstrojaner" bei Verdächtigen zu installieren. Das sind Softwares, die wie Viren auf Computern installiert werden und dort ermitteln können. Diese Möglichkeit wenn eine "konkretisierte Gefahrenlage hinsichtlich der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags im Raum steht und nur noch Unsicherheit dahingehend besteht, in welchem Stadium sich die Tatplanung befindet". In diesen Fällen soll auch die Wohnung der vermeintlichen Terroristen durchsucht und dort etwa etwa scharfe Munition durch unscharfe ersetzt werden können.
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Gem. Art. 76 Grundgesetz (GG) darf die Bundesregierung selbst Gesetzesvorlagen beim Bundestage einbringen. Innerhalb der Bundesregierung sind jedoch diejenigen Ministerien für Vorlagen federführend, in deren Interessen- und Themenbereich die Gesetzesvorlage fällt. Im Falle der Änderung der StPO ist das verständlicherweise das Justizministerium von Marco Buschmann (FDP).
Das BMJ reagierte Befremdet auf die Möglichkeit, die Wohnungen zu durchsuchen. Ein solches "Schnüffeln" werde Marco Buschmann als "Verfassungsminister" nicht tolerieren, twitterte er. Dennoch werde man sich mit der Notwendigkeit einer Gesetzesänderung im Hinblick auf biometrische Gesichtserkennung zu beschäftigen. Insbesondere soll hierbei Art. 26 Abs. 10 KI-VO der EU eine Rolle spielen.