OLG Köln stärkt Datenschutz: Keine Langzeitspeicherung bezahlter Schulden erlaubt

Geschrieben von: Enzo Naels
Geprüft von: Benedikt Renschler

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 10. April 2025 (Az. 15 U 249/24) bringt bedeutende Veränderungen für den datenschutzrechtlichen Umgang mit negativen Bonitätsmerkmalen durch private Wirtschaftsauskunfteien wie der SCHUFA. Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Frage, wie lange personenbezogene Informationen über beglichene Schulden rechtmäßig gespeichert werden dürfen – insbesondere, wenn diese Informationen weiterhin Dritten zugänglich gemacht werden.

Sachverhalt

Der Kläger wandte sich gegen eine Wirtschaftsauskunftei, die auch nach Ausgleich seiner Zahlungsverpflichtungen weiterhin negative Bonitätseinträge speicherte und übermittelte. Obwohl die Schuld vollständig beglichen worden war und aus dem Schuldnerverzeichnis entfernt wurde, hielten die Einträge bei der Auskunftei an. Dies hatte zur Folge, dass Banken und andere Vertragspartner weiterhin mit veralteten Informationen beliefert wurden, was die finanzielle Reputation des Klägers erheblich belastete. Neben der Löschung forderte der Kläger auch Ersatz für den immateriellen Schaden gemäß Art. 82 DSGVO.

Das Landgericht wies die Klage zunächst ab. Es sah in der privaten Datenspeicherung durch die Auskunftei keine unzulässige Weiterverarbeitung. Erst das OLG Köln korrigierte diese Einschätzung in zweiter Instanz und gab dem Kläger weitgehend Recht.

Kern der Entscheidung

Das OLG Köln stellte klar: Sobald eine Verbindlichkeit erfüllt und aus dem öffentlichen Verzeichnis gelöscht ist, entfällt die rechtliche Grundlage für die weitere Speicherung dieser Daten durch private Unternehmen. Die Richter betonten, dass private Stellen keinen weitergehenden Zugriff auf personenbezogene Informationen behalten dürfen als öffentliche Register. Maßgeblich bezog sich das Gericht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Dezember 2023 (Az. C-26/22), der die datenschutzrechtliche Zulässigkeit solcher Speicherungen begrenzt hatte.

Mit Verweis auf Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO kam das OLG zu dem Schluss, dass eine Speicherung, deren Zweck – nämlich die Information über eine bestehende Zahlungspflicht – weggefallen ist, nicht mehr erforderlich sei. Die Datenverarbeitung sei damit rechtswidrig.

Grundrechtsabwägung

Ein zentrales Element der Urteilsbegründung war die verfassungsrechtliche Interessenabwägung. Zwar betonte die Auskunftei ihr Recht auf unternehmerische Betätigung gemäß Art. 16 der EU-Grundrechtecharta sowie das legitime Informationsinteresse Dritter. Demgegenüber stellte das Gericht jedoch die Datenschutzrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Privatleben (Art. 7 GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh).

Das Gericht stellte fest, dass durch die überholten Einträge ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers erfolgte, der nicht durch ein überwiegendes Informationsinteresse gerechtfertigt war. Nach Ansicht des OLG Köln gibt es nach Erledigung einer Forderung keinen legitimen Grund mehr, eine weitere Beeinträchtigung der Bonität des Betroffenen hinzunehmen.

Immaterieller Schaden

Bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass das Gericht einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO anerkannte. Der Kläger musste nicht nachweisen, dass er durch die falsche Speicherung unmittelbar wirtschaftliche Verluste erlitten hatte – es genügte, dass seine Kreditwürdigkeit beeinträchtigt wurde und damit eine negative Wirkung auf seine gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe bestand.

Das OLG berief sich hierbei auch auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2025 (Az. VI ZR 183/22), in dem festgehalten wurde, dass ein Schadenersatzanspruch auch dann gegeben ist, wenn sich die negative Auswirkung „nur“ in einem Eingriff in die Kontrolle über die eigenen Daten oder in einer Rufschädigung äußert.

Auswirkungen auf Praxis und Datenschutzkultur

Was genau bedeutet das?

Für Betroffene:

Das Urteil stärkt die Rechte von Personen, die ihre Schulden beglichen haben, in erheblichem Maße. Sie können nicht nur die Löschung überholter Einträge verlangen, sondern bei Nichtbeachtung auch erfolgreich Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen. In der Praxis dürfte dies zu einem bewussteren Umgang mit Altlasten in Bonitätsdaten führen.

Für Auskunfteien:

Unternehmen wie die SCHUFA müssen ihre Speicher- und Löschpraxis grundlegend überarbeiten. Die bisher verbreitete Annahme, dass erledigte Einträge noch bis zu drei Jahre nach Tilgung gespeichert bleiben dürften, lässt sich mit der aktuellen Rechtslage nicht mehr vereinbaren. Die Entscheidung erhöht damit auch das Haftungsrisiko für Verstöße gegen die DSGVO.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Köln markiert eine Trendwende im Umgang mit personenbezogenen Daten bei privaten Auskunfteien. Sie verdeutlicht, dass das „Recht auf Vergessenwerden“ kein bloßer Programmsatz, sondern ein einklagbares individuelles Recht ist. Die datenschutzrechtlichen Interessen von Bürgerinnen und Bürgern erhalten damit spürbar mehr Gewicht gegenüber wirtschaftlichen Interessen. Unternehmen sind gefordert, ihre Datenverarbeitungsprozesse DSGVO-konform neu auszurichten – ansonsten drohen Schadensersatzklagen und Reputationsverluste.

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