Die Gesetzliche Krankenversicherung muss ausnahmsweise die Kosten für eine beidseitige Oberarmstraffung übernehmen, wenn eine entstellende Wirkung des Erscheinungsbildes vorliegt. Das entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle (LSG) mit Urteil vom 17.11.2020.
Eine 58-Jährige aus Braunschweig war stark übergewichtig und hatte deshalb eine Schlauchmagen-Operation bekommen. Danach verlor sie ca. 50 Kg Gewicht. Zusätzlich litt die Frau weiter an einer Fettverteilungsstörung mit massivem Hautüberschuss im Bereich der Oberarme.
Die Braunschweigerin wollte deshalb eine Straffungsoperation der Oberarme durchführen lassen. Sie beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für den Eingriff. Die Kasse lehnte den Antrag jedoch ab. Sie war der Auffassung, dass es sich um eine lediglich kosmetische Operation handele.
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Gem. § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit
Gegen die Ablehnung ihres Antrages wandte sich die Frau an die Gerichte und bekam nun vor dem LSG Recht. Obwohl die beteiligten Gutachter den Zustand der Oberarme nicht als Krankheit im medizinischen Sinne bewerten konnten, hat das Gericht die Krankenkasse zur Kostentragung verurteilt. Denn es sah den Ausnahmetatbestand der Entstellung als erfüllt an.
Nachdem das LSG das Erscheinungsbild der Frau selbst in Augenschein genommen hatte, stellte es eine "massive Asymmetrie von Ober- und Unterarm" fest. Trüge die 58-Jährige normale Alltagskleidung, läge die Kleidung im Bereich der Oberarme sehr eng an, während sie sich im Bereich der Unterarme bewegte "wie eine Fahne im Wind". Außerdem würden die Ellenbogen der Braunschweigerin von einem "eiförmigen, voluminösen Gewebeüberhang" deutlich überdeckt. Diese körperlichen Auffälligkeiten seien derart ausgeprägt, dass sie schon "bei flüchtiger Bewegung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen" bemerkbar seien und so dazu führten, dass sich das Interesse anderer auf die klagende Frau richte.
Die Entscheidung des LSG ist ein seltener Einzelfall. So haben die Richter in einem weiteren, 2020 anhängigen Fall, entschieden, dass eine induratio penis plastica (Penisverkrümmung) keinen solchen Ausnahmefall darstellt.
Denn eine damit einhergehende, bislang nur leichte Beeinträchtigungen der Erektion eines 59-jährigen Mannes sei weder lebensbedrohlich noch wertungsmäßig damit vergleichbar. Eine (leichte) Einschränkung der Lebensqualität reiche nicht aus. Sie könne nicht als drohender Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion qualifiziert werden.
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