Der Dieselskadal beschäftigt die deutsche und internationale Justiz schon lange. Wir berichteten bereits 2020. Viele Rechtsfrage wirkten konsolidiert, vor allem, für welche Modelle Schadensersatz gefordert werden kann. Eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dürfte nun einiges ändern (Az.: C‑100/21).
Der Dieselskandal ist im Jahr 2015 publik geworden. Betroffen waren Millionen Modelle der Marke VW mit EA 189-Dieselmotor – und zwar sowohl 1,2-Liter-, 1,6-Liter- als auch 2,0-Liter-Aggregate. Sie sind von besonders vielen Rückrufen betroffen und die meisten der Fahrzeuge auch schon in den Werkstätten gelandet.
Manipuliert wurden aber auch Autos weiterer Marken des VW-Konzerns: Audi, SEAT, SKODA und Volkswagen Nutzfahrzeuge. Verwickelt sind außerdem weitere deutsche Hersteller, es gab Rückrufe des Kraftfahrtbundesamtes z.B. bei Audi, Porsche, Daimler, Opel und BMW.
Der Sachverhalt wurde in unzähligen Gerichtsverfahren behandelt. Am 25. Mai 2020 hat der BGH entschieden, dass VW den Kunden zu Schadensersatz verpflichtet ist. Die zuvor gegen VW erhobene Musterfeststellungsklage war zuvor im Februar 2020 mit einem Vergleich beendet worden.
Problematisch für Autokaufende ist gegenwärtig, dass in der Rechtsprechung Schadensersatz gegen Daimler oder VW selbst nur für einige Modelle zugesprochen wird. Das ist darauf zurückzuführen, dass laut Bundesgerichtshof nur ein Anspruch aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch ("BGB") bestehen könne, dessen Anforderungen hoch seien.
Hingegen sah der Bundesgerichtshof etwa bei Fahrzeugen mit Thermofenstern diesen Anspruch als nicht gegeben an. § 826 BGB erfordert sittenwidriges vorgehen der Autohersteller. Dies habe aber nicht festgestellt werden können.
In Betracht kommt daher nur eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB, die reine Fahrlässigkeit ausreichen lässt, dessen Anforderungen also geringer sind. Gemäß § 823 Abs. 2 BGB bedarf es jedoch eines sogenannten Schutzgesetzes. Solche sind nur Gesetze, die nicht nur die Allgemeinheit schützen, sondern besondere Vorteile für einen Einzelnen postulieren. Der Bundesgerichtshof ging bis jetzt immer davon aus, dass europäische Verordnungen zur Dieselsoftware keine Schutzgesetze sein. Dazu äußerte sich nun der Europäische Gerichtshof.
Hinweis: Schadensersatz wurde bisher bei den EA189-Motoren und bei einigen EA897-Varianten zugesprochen.
Der Europäische Gerichtshof legte die europäischen Richtlinien und Verordnungen nun doch drittschützend aus. Sie seien dahin auszulegen, "dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist."
Die Entscheidung betrifft nur ausgesetzte Verfahren. Neue Verfahren können nicht angestrebt werden. Die Ansprüche sind aller Voraussicht nach verjährt. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass Klagen, die ab 2019 erhoben worden sind, verjährt sind. Die Klagefristen endeten 2018.
Die Entscheidung dürfte viele Kläger auf Schadensersatz hoffen lassen. Allein der Bundesgerichtshof setzte 1.900 anhängige Revisionen aus, nachdem das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof bekannt geworden ist. Schon im Mai führt der extra für den Dieselskandal eingerichteten Zivilsenat 6a Verhandlungen (Az. VIa ZR 335/21). Dann bespricht dieser, ob und inwieweit er seine Rechtsprechung ändert.
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Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
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