Nachbarrecht 2023: Sichtschutzhecke darf entfernt werden

Geschrieben von: Henrik Noszka

Nicht immer möchte man genau wissen, was auf dem Nachbargrundstück vor sich geht. Umgekehrt gilt selbstredend dasselbe - daher gilt: Privatsphäre ist gut. Was passiert aber, wenn sich ein Nachbar entscheidet, eine Sichtschutz erzeugende Hecke auf seinem Grundstück zu entfernen? Diese Frage wurde bis zum Oberlandesgericht Zweibrücken hinaufgetragen (Az.: 8 U 52/21).

Der Sachverhalt

Kläger und Beklagte sind jeweils Eigentümer einer Grundstücks in Pirmasens - und sie sind Nachbarn. Zwischen beiden Grundstücken befand sich eine große Thujahecke. Diese bot für beide Seiten Sichtschutz und wuchs auf dem Grundstück des später beklagten Nachbarn. Allerdings wucherten die Äste der Hecke auf das Grundstück des Klägers hinüber. Die später beklagte Nachbarin entschied sich, die Hecke zu entfernen und schnitt alle Stämme knapp oberhalb des Bodens ab. Damit war der Nachbar nicht einverstanden und klagte auf Schadensersatz. Die Hecke habe ihm als Sichtschutz gedient.

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Vertiefung, Überhang und Überfall?

Das Bürgerliches Gesetzbuch ("BGB") regelt überraschend genau das Verhältnis zwischen Nachbarn. Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass nachbarschaftliche Streitigkeiten keine Errungenschaft neuer Zeitalter sind. So darf zum Beispiel "ein Grundstück [...] nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist." (§ 909 BGB - Vertiefung). Der historische Gesetzgeber legte aber auch viel Wert darauf, zu regeln, wer für welches Geäst verantwortlich ist. Daher kann "der Eigentümer eines Grundstücks [...] Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten." (§ 910 BGB - Überhang) Fallen Früchte von einem Baum, der auf dem Nachbargrundstück steht, auf das eigene, dürfen die hinabfallenden Früchte, der sogenannte Überfall, behalten werden (§ 911 BGB). 

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Was gehört mir auf meinem Grundstück?

Die oben genannten Vorschriften lassen vermuten, dass der Gesetzgeber ebenfalls ganz genau geklärt hat, was genau wer auf einem Grundstück sein eigenen nenne darf. Ausgangsnorm dafür ist § 946 BGB. Danach ist alles, was sich räumlich auf dem eigenen Grundstück befindet und derart mit dem Boden verbunden ist, dass es nicht ohne jeden Aufwand gelöst werden kann, teil des Eigentums am eigenen Grundstück. Das gilt natürlich auch für Bäume und für Hecken. Entscheidend ist danach, auf welchem Grundstück die Pflanze "verankert" ist. 

Hinweis: Das bedeutet, dass wenn zum Beispiel ein Nachbar einen Zaun auf Ihrem Grundstück anbringt, er in Ihr Eigentum übergeht.

OLG Zweibrücken: Schadensersatz nur in bestimmten "Fällen"

Der achte Zivilsenat des Oberlandesgerichts wies den klagenden Nachbarn darauf hin, dass ihm zwar ein Schadensersatz zustehen könnte, aber nicht jedes fällen eines Baumes (oder einer Hecke) diesen nach sich ziehe. Dieser könne aber nur geltend gemacht werden, wenn einzelne Stämme, die abgeschnitten wurden, sich auf seinem Grundstück befinden. Zwar sei die Hecke auf sein Grundstück gewuchert - aber oberhalb des Bodens (§ 910 BGB). Daher hätte er die dort wuchernden Äste zwar abschneiden können, nicht aber Schadensersatz verlangen, weil der Nachbar dies getan habe. 

Ferner ergebe sich dem Fehlen des Sichtschutzes an sich kein Schadensersatzanspruch - selbst wenn das Nachbargrundstück nicht besonders anschaulich wäre, Ästhetik werde nicht geschützt.

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Fazit

Der Fall verdeutlicht wie wichtig es ist, sich mit Eigentumsverhältnissen vor "Verschönerungsmaßnahmen" auseinanderzusetzen. So könnte die Entfernung einer Hecke, die teilweise auf dem Grundstück des Nachbarn steht, einen nicht unerheblichen Schadensersatzanspruch auslösen.

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