Nicht umsonst ist das Jura-Studium lang und schwierig.
Zahlreiche Rechtsfragen treten täglich auf und nur in wenigen Fällen lässt sich direkt eine klare Antwort darauf finden. Umso verständlicher ist es, dass Nicht-Juristen sich im Paragraphen-Dschungel schnell verloren fühlen. Dies hat aber gleichzeitig zur Folge, dass sich unzählige Mythen in Sachen Recht entwickelt haben.
Eine von ihnen ist – Mord ist Totschlag nur absichtlich.
Der Mythos erfordert zunächst eine allgemeine Klarstellung: Was ist eigentlich „Absicht“? Genau genommen ist Absicht nur eine Form des großen Begriffes des Vorsatzes. Vorsatz ist das Wissen und Wollen, eine Straftat zu begehen. Dabei gibt es verschiedene Formen des Vorsatzes. Die schwächste Form nennen Juristen Eventualvorsatz. Dafür muss der Täter jedenfalls für möglich halten, dass seine Handlung einen Taterfolg bewirkt und dabei – so drückt es die Rechtsprechung aus – dies auch billigend in Kauf nehmen.
Beispiel: Schlägt jemand mit einem Hammer jemand anderen auf den Kopf und hält es dabei für möglich, dass der andere durch den Schlag stirbt, handelt er vorsätzlich, wenn er sich mit dem Tod des anderen „schulterzuckend“ abfindet.
Neben dieser schwächsten Form des Vorsatzes existieren noch der Wissens-Vorsatz und der Wollens-Vorsatz (auch Absicht genannt). Der Wissens-Vorsatz stellt die Kenntnis der Tat in den Mittelpunkt (wie der Name schon vermuten lassen könnte). Hier weiß der Täter sicher, dass sein Verhalten (etwa das Hammer schwingen) einen anderen Menschen töten wird und hält es nicht nur für möglich. Beim Wollens-Vorsatz will der Täter den anderen Menschen schlicht mit dem Hammer erschlagen.
In allen drei Konstellationen handelt der Täter aber vorsätzlich. Der Grad des Vorsatzes ist auf Ebene der Strafzumessung wichtig und bei einigen bestimmten Begehungsweisen. Diese stellen nämlich teilweise unterschiedliche Anforderungen an den Vorsatz.
Es überrascht natürlich nicht, dass viel – vor allem zum Eventualvorsatz – stark umstritten ist und natürlich mittels einer Einzelfallprüfung im konkreten Fall geklärt werden muss. Abzugrenzen ist der Eventualvorsatz immer zur Fahrlässigkeit. Dort hofft der Täter gerade, dass der Erfolg nicht eintritt. Er findet sich gerade nicht mit ihm ab.
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Absicht ist also eine Form des Vorsatzes. Aber was genau ist jetzt in Deutschland strafbar? Doch nicht etwa nur vorsätzliches Vorgehen? § 15 des Strafgesetzbuches ist dabei deutlich. „Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.“ Mit anderen Worten: Alle Straftaten im Strafgesetzbuch setzten erst einmal vorsätzliches Handeln voraus (also mit Absicht, Wissen oder Eventualvorsatz). Fahrlässiges Handeln führt nur in Einzelfällen zur Strafbarkeit, welche dann einen eigenen Platz im Strafgesetzbuch findet – zum Beispiel § 229 StGB.
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Nach § 212 Strafgesetzbuch wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren als Totschläger bestraft, wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein. Da das Gesetz hier nicht ausdrücklich von Fahrlässigkeit spricht, ist nur vorsätzliches Handeln gemeint. Ein Totschläger handelt also absichtlich.
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Auch der Mörder handelt vorsätzlich. Der Unterschied zum Totschlag ist, dass der Mörder besonders verwerflich handelt. Er bringt jemanden etwa aus Habgier oder heimtückisch um oder muss einen anderen Menschen aus dem Weg räumen, um eine Straftat zu verdecken. Mit anderen Worten: Ein Mörder ist ein Totschläger, der besonders verwerflich handelt.
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Aber auch die Fahrlässige Tötung ist nach § 222 Strafgesetzbuch strafbar. Im Unterschied zum Vorsatz hofft ein fahrlässiger Täter gerade darauf, dass der Erfolg nicht eintritt. Er findet sich daher nicht mit ihm ab.
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Sowohl ein Mörder als auch ein Totschläger handeln also vorsätzlich. Der Unterschied zwischen ihnen ist, dass der Mörder noch gefährlicher und sozial verwerflicher vorgeht als der Totschläger. Dies rechtfertigt die hohe Strafandrohung (bis lebenslänglich).