Mindestlohn und Datenschutz: Der Bereitschaftsknopf im Taxi

Geschrieben von: Dominik Nowak

Zur Abrechnung bzw. Berechnung von Mindestlohn: Ein Taxiunternehmen kann von den als Arbeitnehmern beschäftigten Taxifahrern nicht verlangen, dass diese während des Wartens auf Fahrgäste alle drei Minuten einen „Bereitschaftsknopf“ drücken, um ihre Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren. So sieht es zumindest das Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 30.08.2018.

Sachverhalt

Ein Taxifahrer hatte gegen seinen Arbeitnehmer geklagt und verlangt, dass dieser ihm auch für Standzeiten, die im Laufe des Arbeitstages "zusammengekommen" waren, den gesetzlichen Mindestlohn zahlt.

§ 1 Mindestlohngesetz (MiLoG)

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. […]

Der Arbeitgeber hatte sich geweigert dem Arbeitnehmer die geltend gemachten Stunden zu vergüten. Er verwies darauf, dass er bereits sämtliche von dem Zeiterfassungssystem im Taxi erfassten Arbeitszeiten vergütet habe und nicht noch mehr Arbeitszeit angefallen sei. Die Erfassung der Arbeitszeit stützte sich darauf, dass der Fahrer auch bei Standzeiten alle drei Minuten eine Taste im Taxi drücken musste. Tat er dies nicht, so wurde die Standzeit nicht mehr als zu vergütende Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pausenzeit erfasst.

Der Taxifahrer hatte geltend gemacht, dass er auch einen Anspruch auf den Mindestlohn für die Zeiten habe, die als Pausenzeiten erfasst wurden, weil er nicht die Bereitschaftstaste gedrückt hatte. Tatsächlich seien diese aber aktive Stand- und damit Arbeitszeiten gewesen, weil er sich durchgehend zur "Aufnahme von Fahrgästen" bereitgehalten habe. Der Kläger war der Ansicht, dass das Betätigen der Bereitschaftstaste nicht nur nicht zumutbar, sondern auch oft nicht möglich gewesen sei. Zudem sei er dazu angewiesen worden, die Bereitschaftstaste nur in einem solchen Umfang zu betätigen, dass ein bestimmter Umsatz pro erfasster Arbeitsstunde erzielt wurde. Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hatte der Klage stattgegeben. Der Arbeitgeber hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Bereitschaftstaste ist nicht verhältnismäßig

Auch das LAG hat dem klagenden Taxifahrer Recht gegeben und einen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns auch für Standzeiten ohne Betätigung der Bereitschaftstaste bejaht. Auch nach Ansicht des LAG handele es sich um vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten. Der Umstand, dass der Taxifahrer nicht immer in regelmäßigen Abständen den Knopf gedrückt hatte, stehe der Vergütungspflicht nicht entgegen. Schon die Weisung, einen Bereitschaftsknopf überhaupt alle drei Minuten zu drücken, sei nicht durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gedeckt. Des Weiteren sei diese Weisung auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen (d.h. von Arbeitgeber und -nehmer) unverhältnismäßig. Die Weisung des Arbeitgebers verstößt, nach Ansicht des LAG, zudem gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz).

§ 611a BGB

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. […]

Der Kläger war im Ergebnis also nicht verpflichtet, seine Arbeitsbereitschaft durch das Drücken des entsprechenden Knopfes zu dokumentieren.

Nach Ansicht des LAG ergab sich aus den dokumentierten Zeiten auch eine derartige Verteilung, dass es sich bei diesen nicht um Pausenzeiten handeln könne. Insgesamt lagen zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende in der Regel zwölf Stunden, wobei als Arbeitszeit erfasste Standzeiten von teilweise nur elf Minuten schlicht nicht den Arbeitsabläufen im Taxigewerbe entsprächen.

Datenschutzrechtliche Bedenken

Das ArbG hatte zuvor außerdem die Ansicht vertreten, dass das Kontrollsystem des Arbeitgebers auch (nach altem Recht) datenschutzrechtlich unzulässig sei.

§ 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) a.F.

(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. […]

Die Vorgabe, bei Standzeiten alle drei Minuten einen Signalknopf zu drücken, verstoße gegen das Gebot der Erforderlichkeit und sei folglich i.V.m. § 134 BGB unwirksam.Hierauf ist das LAG nicht weiter eingegangen. Festzustellen ist hier aber, dass das Thema Datenschutz auch in arbeitsrechtlichen Sachverhalten Arbeitgeber oftmals vor schwer lösbare Aufgaben stellt.

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Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater

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