In Deutschland sind rund 4.1 Millionen Menschen pflegebedürftig. Etwa 80 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland werden zuhause versorgt. Daher drängen immer mehr Dienstleister auf den Markt, die eine sogenannte "24-Stunden-Pflege" anbieten, um Angehörige zu entlasten. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte am 05.09.2022 zu entscheiden, ob einer Pflegekraft, die nur für 30 Stunden "regulär" beschäftigt wird, aber ganztägig auf Abruf bereit ist, auch ganztägig der gesetzliche Mindestlohn zusteht.
Grundsätzlich hat jede*r Arbeitnehmer*in Anspruch auf den gesetzlich festgelegten Mindestlohn für verrichtete Tätigkeiten. Seit dem 01.10.2022 beträgt der Mindestlohn 12 Euro pro verrichteter Arbeitsstunde, wie sich aus § 1 Abs. 2 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) ergibt. Allerdings erhalten nicht alle Arbeitnehmer*innen den vorgeschrieben Mindestlohn. Ausnahmen sind vorgesehen. Eine detaillierte Auflistung zu den ausgenommenen Berufsgruppen finden Sie hier. Mit dem Mindestlohn gehen auch (sanktionsbewährte) Dokumentationspflichten des Arbeitgebers einher. Eine Auflistung dieser finden Sie ebenfalls hier.
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Eine deutsche Agentur vermittelte eine Bulgarin als Pflegekraft nach Deutschland, um eine 90 jährige Dame zu betreuen. Die deutsche Agentur warb dabei mit dem Angebot einer "24 Stunden Pflege zu Hause". Der bulgarische Arbeitgeber der Pflegerin entsandte sie daraufhin nach Berlin, um die 90 jährige alleinlebende Frau in ihrer Wohnung in einer Seniorienwohnanlage zu betreuen. Der Arbeitsvertrag der Pflegerin sah eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vor. Ihre Tätigkeiten reichten von Haushaltsführung über Körperpflege bis zur allgemeinen Leistung von Gesellschaft. Die Pflegerin war auch angehalten, in der Wohnung der zu pflegenden Frau zu übernachten.
Abruf bereit gewesen sei. Sie hätte zwischen 6:00 Uhr morgens bis 22:00 Uhr abends gearbeitet und auch jederzeit in der Nacht aufspringen müssen. Sie fordert daher, dass sie für ihre gesamte Beschäftigungszeit 24 Stunden täglich mit dem Mindestlohn (von damals 8.50 Euro) vergütet wird. Der bulgarische Arbeitgeber verweist dagegen darauf, dass die Pflegerin für ihre 30 Wochenarbeitsstunden vergütet wurde.
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Das Landesarbeitsgericht gab der Klage größtenteils statt. Es gelangte zu dem Schluss, dass die Pflegerin für den größten Teil der von ihr geltend gemachten Zeit tatsächlich für 24 Stunden im Einsatz war. Einzig kleinere Zeiträume wie Besuche im Restaurant oder Besuch von ihrer Familie wurden im Rahmen einer weitreichenden Beweisaufnahme herausgerechnet. Das Landesarbeitsgericht ging allerdings auch davon aus, dass die klagende Pflegerin die Beweislast dafür trage, dass sie tatsächlich 24 Stunden täglich in Bereitschaft gewesen sei. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
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Das Urteil weist im Angesicht der alternden deutschen Population und dem wachsenden Bedarf von "24-Stunden-Pflege" eine hohe Relevanz auf. Gleichwohl bleibt es am Einzelfall, dass der Kläger darlegt, dass er tatsächlich für die beanspruchte Zeit tätig war. Ob und wie derartige Konstellationen sinnvoll vertraglich geregelt werden können, bleibt abzusehen.
Wenn Sie Fragen rund um das Thema Mindestlohn, Lohnabrechnung, Erfüllung von Dokumentationspflichten oder andere arbeitsrechtliche Fragen oder auch Fragen bei der Abrechnung des Mindestlohns haben, wenden Sie sich an unsere Anwälte für Arbeitsrecht oder unsere Steuerberatung und vereinbaren einen Termin. Wir stehen Ihnen gerne und jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Rufen Sie uns an 0201/24030.
chumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
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