Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass eine Volljuristin, die knapp acht Jahre lang in einem Yoga-Ashram-Zentrum in Ostwestfalen lebte, den Mindestlohn erhält. Ausnahmen für Religionsgemeinschaften würden nicht greifen, so das höchste Arbeitsgericht. Dieser zweite Paukenschlag wird zu einer Vielzahl von Nachzahlungsforderungen führen - ähnlich schon wie die Entscheidung, dass 24-Stunden Pflegekräfte auch für 24 Stunden bezahlt werden müssen (Az.: 9 AZR 254/22).
Grundsätzlich hat jede*r Arbeitnehmer*in Anspruch auf den gesetzlich festgelegten Mindestlohn für verrichtete Tätigkeiten. Seit dem 01.10.2022 beträgt der Mindestlohn 12 Euro pro verrichteter Arbeitsstunde, wie sich aus § 1 Abs. 2 des Mindestlohngesetzes ("MiLoG") ergibt. Allerdings erhalten nicht alle Arbeitnehmer*innen den vorgeschrieben Mindestlohn. Ausnahmen sind vorgesehen. Eine detaillierte Auflistung zu den ausgenommenen Berufsgruppen finden Sie hier. Mit dem Mindestlohn gehen auch (sanktionsbewährte) Dokumentationspflichten des Arbeitgebers einher. Eine Auflistung dieser finden Sie ebenfalls hier.
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Entscheid ist für den Anspruch nach dem MiLoG, dass die anspruchstellende Person als Arbeitnehmer*in über 18 Jahre zu qualifizieren ist. Wer Arbeitnehmer*in ist, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch ("BGB"):
(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Entscheidend ist nach der Vorschrift, dass Arbeitnehmer*innen eine Tätigkeit für jemand anderen ausüben und dabei weisungsgebunden sind. Nicht weisungsgebunden sind etwa:
Hier war problematisch, ob jemand, der acht Jahre in einem Yoga Zentrum lebt und verschiedene Aufgaben erfüllt als Arbeitnehmerin im Sinne von § 611a Absatz 1 BGB zu qualifizieren ist.
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Die Volljuristin war sogenannte Sevaka in einem Yoga-Zentrum in Horn-Bad Meinberg. Sevakas sind Vereinsangehörige, die in der indischen Ashram- und Klostertradition zusammenleben und ihr Leben ganz der Übung und Verbreitung der Yoga Vidya Lehre widmen.
Für knapp acht Jahre lebte die spätere Klägerin in dem Zentrum nach den Lehren des Vidya Yogas. Das Zentrum umfasst vier Gebäudekomplexe mit über 1.000 Betten. Neben der Klägerin waren 200 weitere Sevakas beschäftigt.
Die Juristin verpflichtete sich vertraglich, für 42 Stunden die Woche verschiedene Tätigkeiten durchzuführen, die von der Betreuung der Social-Media-Kanäle über Aufgaben im Haushalt reichte. Als Gegenleistung zahlt das Yoga Zentrum ein "Taschengeld" von knapp 400 Euro monatlich und übernahm die Kosten für Kranken- und Altersversicherung und stellt Unterkunft und Verpflegung.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei Arbeitnehmerin. Damit stehe ihr jedenfalls der gesetzliche Mindestlohn zu. Auf dessen Nachzahlung im Umfang von über 46.000 Euro verklagt sie das Yoga-Zentrum
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Das Bundesarbeitsgericht hielt kurz fest, dass die Klägerin laut dem Vertrag weisungsgebunden war. Dies qualifiziere sie schon als Arbeitnehmerin. Die Anschlussfrage daran war, ob sich das Yoga-Zentrum auf Privilegien berufen durfte, die sonst nur Religionsgemeinschaften zustehen.
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Obgleich die Klägerin sogar zur "Priesterin" geweiht wurde, womit sie die Berechtigung erhielt, Yoga Rituale durchzuführen, lehnt das Bundesarbeitsgericht ab, dass das Yoga-Zentrum sich auf religiöse Privilegien berufen könne. Das Zentrum argumentierte, das Leben dort unterscheide sich nicht von traditionellen Klöstern. Diese Sichtweise lehnte das Bundesarbeitsgericht ab. Zwar sei der Verein spirituell, aber nicht religiös, geprägt. Das zeige sich schon dadurch, dass der Verein eine Vielzahl an verschiedenen Religionszugehörigkeiten zulasse.
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Aufgrund des Urteils dürfte für viele Yoga-Zentren in Deutschland, die auf die Mitwirkung von Sevakas bauen, beachtliche Nachzahlungsforderungen zukommen. Die Yoga Vereine werden voraussichtlich auch umdenken und sich eventuell hin zu religiösen Gemeinschaften entwickeln.
Wenn Sie Fragen rund um das Thema Mindestlohn, Lohnabrechnung, Erfüllung von Dokumentationspflichten oder andere arbeitsrechtliche Fragen oder auch Fragen bei der Abrechnung des Mindestlohns haben, wenden Sie sich an unsere Anwälte für Arbeitsrecht oder unsere Steuerberatung und vereinbaren einen Termin. Wir stehen Ihnen gerne und jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Rufen Sie uns an 0201/24030.
chumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
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