Mangelnder Schutz nach Fehlgeburt

28. Oktober 2024
Geschrieben von: Benedikt Renschler

Eine Fehl- oder Totgeburt ist für betroffene Eltern ein furchtbares Szenario. Sie führen neben tiefer Trauer oft zu langwierigen, komplizierten psychischen Beeinträchtigungen und seelischem Leid. Frauen, die dieses Schicksal erleiden, kommt jedoch ein unterschiedlicher Schutz im Bezug auf die Rückkehr in den Job zu. Maßgeblich ist dabei, ob es um eine Fehl- oder eine Totgeburt handelt.

Aktuelle Rechtslage

Die aktuelle Rechtslage führt zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Betroffenen einer Tot- und einer Fehlgeburt“, so statuiert es der Bundesrat mit seinem Entschließung vom 5. Juli 2024. 

Kernelement des 1952 verabschiedeten Mutterschutzgesetzes (MuSchG) sind ein Beschäftigungsverbot und das sogenannte Mutterschaftsgeld. Voraussetzung dafür ist gem. § 3 MuSchG stets die „Entbindung“. Diese liegt bei einer Totgeburt vor, bei einer Fehlgeburt jedoch nicht.

Nach einer Definition der Termini „Totgeburt“ und „Fehlgeburt“ sucht man im MuSchG vergebens. Zur Definition wird vielmehr § 31 Abs. 2 S. 1 Personenstandsverordnung (PStG) angewandt. Hiernach ist von einer Totgeburt auszugehen, wenn die Leibesfrucht mehr denn 500 Gramm wiegt, oder - falls nicht - die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde.

Die Abgrenzung zwischen Tot- und Fehlgeburt kann demnach von wenigen Gramm oder Tagen abhängen. Ob eine Mutter dabei ausreichend Schutz erfährt darf angezweifelt werden. Bringt sie ein 499 Gramm schweres Baby zur Welt, handelt es sich um eine Fehlgeburt. Ein Gramm mehr - der sich etwa auf einen Milliliter Wasser im Körper des Embryo zurückführend lässt - würde zu einer Totgeburt führen und damit zu einer abweichenden rechtlichen Behandlung der Mutter. 

Was für einen Schutz bekommen Frauen nach einer Fehlgeburt?

Die recht eindeutige Antwort lautet: Gar keinen. Wenn doch, dann lediglich wegen eines ärztlichen Attests oder aufgrund von Kulanz seitens des Arbeitgebers. Die Konsequenz dieser drastischen Abgrenzung macht eine Reform des Mutterschutzgesetzes notwendig, befand der Bundesrat.

Wie auch der Bundesrat sahen vier Frauen 2021 in den Regelungen des Mutterschutzgesetzes eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Diese verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, den das Grundgesetz in Art. 3 verspricht. Die Ungleichbehandlung zwischen Frauen, die eine Totgeburt erlitten gegenüber denen, bei denen es um eine Fehlgeburt ging, sei unverhältnismäßig. Der Staat ist gem. Art. 6 Abs. 4 GG zum Schutz von Müttern verpflichtet. Eine Reformbedürtigkeit des Mutterschutzgesetzes scheint insofern naheliegend, als sich die Situationen Mütter, die ein solches Schicksal erleiden, wohl kaum abhängig vom Gewicht des Kindes unterscheidet. 

Grundsätzlich braucht es natürlich eine rechtliche Grenze, ab der man von einer Totgeburt ausgehen kann. Auch ist klar, dass dies eine unterschiedliche Behandlung der Mütter danach rechtfertigt. Hierfür, die Anzahl der Schwangerschaftswochen als Kriterium ist zunächst auch logisch. Die Mütter, die Verfassungsbeschwerde erhoben, führten jedoch an, die 24. Schwangerschaftswoche sei hierfür zu spät. Vielmehr sei etwa die 16. Schwangerschaftswoche angemessener, um die Grenze zu markieren. In dieser könnte es nämlich schon in Notfällen zu einem Kaiserschnitt kommen. 

Angestrebte Neujustierung

Auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition ist die Überarbeitung des Mutterschutzgesetzes vorgesehen. 

Darin heißt es: „Den Mutterschutz und die Freistellung für den Partner bzw. die Partnerin soll es bei Fehl- bzw. Totgeburt künftig nach der 20. Schwangerschaftswoche geben“. Dies lässt zunächst darauf schließen, dass es bei der starren Abgrenzung zwischen Tot- und Fehlgeburten bleibt. Lediglich Anzahl der Schwangerschaftswochen würde zu Gunsten von Müttern verändert werden.

Der Prozessbevollmächtigte der Verfassungsbeschwerdeverfahren Remo Klinger äußerte gegenüber LTO jedoch Bedenken, ob eine wie von der Bundesregierung geplante Änderung des Mutterschutzgesetzes verfassungskonform sei. Er argumentierte, für die Neusetzung einer zeitlichen Grenze sei die Einschätzung von medizinischen Fachleuten unumgänglich. Eine in seinen Augen zielführende Option könne jedoch auch in einem generellen Mutterschutz in Abhängigkeit der Dauer der Schwangerschaft richten. 

Stimmung in der Ampel

Innerhalb der Ampel-Koalition scheint sich die Einschätzung derweil zu Gunsten der Betroffenen geändert zu haben. Im Gespräch ist als zeitliche Grenze nun vielmehr die 16. oder gar die 14. Schwangerschaftswoche. 

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