Am 26. Februar 2023 urteile ein österreichisches Gericht, dass der Erwerb sogenannter Lootboxen illegales Glücksspiel darstellt. Die Entscheidung rückt einen großen Markt in den Fokus, der oft im Schatten operiert. Der Kauf von Lootboxen innerhalb von Videospielen. Dieser Beitrag nährt sich der Frage, wie Lootboxen aus Sicht des Glücksspielrechts zu werten sind und ob (enttäuschte) Käufer eventuell Geld zurückfordern können.
Schon lange ist bekannt, dass der Gaming-Markt kontinuierlich wächst. Der Umsatz in Deutschland hat sich alleine in den letzten 5 Jahren bis 2021 verdoppelt auf knapp 10 Milliarden. Die Covid-Pandemie dürfte den Markt weiter angetrieben haben.
Aber was sind Lootboxen und welche Rolle spielen sie? Lootboxen sind virtuelle Kisten, die der erwerbende Nutzer öffnen kann. Nutzer können sie innerhalb von Videospielen mit jeweils bis zu 100 Millionen Nutzern wie etwa Fifa, Counter Strike oder League of Legends erwerben. Sie erwerben sie dabei in der Regel gegen echtes Geld. Lootboxen können verschiedene Gegenstände erhalten, die innerhalb dieser Spiele eingesetzt werden können. Diese reichen vom Aussehen einer Waffe oder eines Charakters bis zu einem bestimmter Fußballspieler. Dabei kann jede Lootbox eine ganze Reihe von Gegenständen erhalten - welcher Gegenstand es schlussendlich sein wird, entscheidet ein Zufallsprinzip. Die Gegenstand sind in aller Regel nach Seltenheit differenziert. Es existieren demnach einerseits sehr seltene Gegenstände und andererseits sehr häufig vorkommende. Besonders wird es aber, wenn Spieler einige dieser Gegenstände nicht oder nur zu sehr viel höheren Summen als die ursprüngliche Lootbox innerhalb des Spiels erwerben können. Un zweitens, wenn Spiele ihren eigenen Markt schaffen, auf dem Spieler die Gegenstände gegen echtes Geld kaufen und verkaufen können. Besonders seltene Gegenstände erreichen leicht Marktwerte im vierstelligen bis zum mittleren fünfstelligen Betrag. So verwundert es bei diesen "Gewinnchancen" nicht, dass eine aktuelle Studie ergibt, dass Lootboxen im Jahr 2025 weltweit 20 Milliarden Dollar generieren werden
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Der Glückspielsstaatsvertrag vom 1.07.2021, der von 15 Bundesländern (mit Ausnahme von Schleswig-Holstein) unterzeichnet wurde, regelt maßgeblich, was unter Glücksspiel zu verstehen ist:
§ 3 Glückspielsstaatsvertrag Begriffsbestimmungen
(1) Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist.
Entscheidend nach dieser Definition ist also, dass ein Spieler gegen Entgelt (1) eine Gewinnchance erwirbt (2) und die Entscheidung über den Gewinn vom Zufall (3), also nicht von den Fähigkeiten des Spielers abhängt.
Hinweis: Die Rechtsprechung hat zu § 284 Strafgesetzbuch eine ähnliche Definition entwickelt.
Dabei verbietet der Glücksspielstaatsvertrag Glücksspiel natürlich nicht umfassend - er sieht Erlaubnisse und Lizenzen vor. Nach dem Vertrag können die Bundesländer für Spielhallenbetreiber aber auch für Online-Kasinos oder Online-Wettbüros Lizenzen vergeben. Für die Erteilung dieser Erlaubnis müssen aber weitreichende Vorgaben eingehalten werden. So sieht etwa § 4 des Glücksspielvertrages als allgemeine Voraussetzung vor, dass besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung oder aber Darlehn verboten werden.
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Spielebetreiber haben in aller Regel aber keine Lizenzen, weil sie die Auffassung vertreten, dass Lootboxen kein Glücksspiel darstellen. Wer Glücksspiele ohne Erlaubnis betreibt, betreibt unerlaubtes Glücksspiel gemäß § 4 Abs. 1 des Glücksspielvertrages. Das hat strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen:
Zivilrechtlich bedeutet dies, dass das Rechtsgeschäft, das dem "Lootbox-Vertrag" zugrunde liegt, nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch ("BGB") nichtig sind:
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
§ 4 Glücksspielsstatsvertrag Allgemeine Bestimmungen
(1) Öffentliche Glücksspiele dürfen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten.
Grundsätzlich kann eine Partei zurückfordern, was aufgrund eines nichtigen Rechtsgeschäftes (also unerlaubten Glücksspiel) erlangt wurde. Das regelt § 812 Abs. 1 BGB. Sollten also Lootboxen Glücksspiel darstellen, besteht grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch; komplizierter wird es selbstredend, wenn der eventuelle Marktgewinn durch Weiterveräußerung mitberechnet werden muss.
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In aller Regel hängt die Entscheidung darüber, was in der Lootbox steckt, vom Zufall ab. Diese Voraussetzung sollte also gewahrt sein.
Schwierigkeiten besteht jedoch bei der nächsten Voraussetzungen der Glücksspieldefinition. Es herrscht Einigkeit darüber, dass das Entgelt nicht unerheblich sein darf. Was aber Unerheblichkeit bedeutet ist umstritten (zwischen 50 cent und 5 Euro). Gesichert ist lediglich, dass wenn ein Spieler mehrere Boxen auf einmal erwirbt bzw. diese Chance gegeben ist, er ein nicht unerhebliches Entgelt zahlt. Maßschnur ist, dass der Spieler die Investition nicht ohne Überlegungen tätigt.
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Noch schwieriger ist die Frage, ob eine echte Gewinnchance erworben wird. Das hängt mit dem möglichen Gegenwert zusammen, der im Einzelfall bestimmt werden muss. Hier ist zum Beispiel entscheidend, ob die Boxen auf einem virtuellen Markt handelbar sind. Sind sie dies nicht, könnte der "echte" Gegenwert fehlen. Auch von Bedeutung ist, ob Abtretungsverbote greifen. Ferner ist umstritten, wie geduldete virtuelle Märkte zu bewerten sind, auf denen Spieler*innen Gegenstände "schwarz" veräußern können.
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Insgesamt ist noch umstritten, ob es sich bei "Lootboxen" um Glücksspiel handelt. Mehr und mehr stimmen in der Literatur bejahen dies aber - auch die Entwicklung in anderen Staaten wie (jetzt) Österreich oder auch in den Niederlanden oder China, wo Lootboxen verboten sind, geben eine klare Richtung vor. Es bleibt abzuwarten, wann sich deutsche Gerichte erstmalig mit der Problematik auseinandersetzen. Dazu kommt, dass der Jugendschutz auch von erheblicher Bedeutung ist. Es könnte sich aber jetzt schon lohnen, auch wegen der Gefahr der Verjährung, Ansprüche schon geltend zu machen.
Bei weiteren Fragen zum Thema Glücksspielrecht oder IT-Recht, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
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