Im Jahr 2021 hatten knapp ein sechstel der Deutschen einen Kredit (nach Angaben der SCHUFA). Das Gesetz lässt zu, dass ein Darlehnsnehmer seine Schulden vorzeitig zurückzahlen kann. Eventuell ist in derartigen Fällen ein Ausgleich der Kreditersparnis notwendig. Diese muss von der Bank berechnet werden. Dafür nahm eine größere deutschlandweit tätige Bank eine pauschale Bearbeitungsgebühr - zu Unrecht, wie der auf Bankenrecht spezialisierte Senat am Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied (Az.: 17 U 132/21).
Die Bank verpflichtet nach ihrem Preisverzeichnis private Darlehenskunden, eine Pauschale von 100 € zu zahlen, wenn die Bank für sie die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung eines Darlehens (Allgemeindarlehen oder eines vor dem 21. März 2016 abgeschlossenen Immobiliardarlehen) errechnen soll. Die Pauschale wird unabhängig davon fällig, ob es nachfolgend zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommt. Der klagende Bankkunde ist der Ansicht, dass diese Pauschale unrechtmäßig ist.
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(Verbraucher-)Darlehnsverträge sind im Bürgerlichen Gesetzbuch ("BGB") geregelt. Die dortigen Rechtsvorschriften sind größtenteils (bis zum Teil auf Immobiliar-Darlehnsverträge, also solche, die sich auf Grundstücke beziehen) durch das Europarecht determiniert. Da das Europarecht besonders verbraucherfreundlich ist, gibt es für Verbraucherdarlehnsverträge (solche, die zwischen einem Unternehmen, etwa einer Bank, und einer Privatperson geschlossen wurden) die Möglichkeit, ein Darlehn vorzeitig zurückzuzahlen:
§ 500 BGB Kündigungsrecht des Darlehensnehmers; vorzeitige Rückzahlung
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag, bei dem eine Zeit für die Rückzahlung nicht bestimmt ist, ganz oder teilweise kündigen, ohne eine Frist einzuhalten. [...]
(2) Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten aus einem Verbraucherdarlehensvertrag jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen. Abweichend von Satz 1 kann der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht.
Normale Verbraucherdarlehnsverträge können also immer vorzeitig zurückgezahlt werden. Immobiliar-Darlehnsverträge nur aus besonderen Gründen ("berechtigtes Interesse des Darlehnsnehmers"). Ein solches kann etwa unter Umständen eine wirtschaftliche Not oder einen Erbfall in der Familie darstellen.
Aufgepasst: Für vor 2016 abgeschlossene Immobiliardarlehnsverträgewar die Rechtslage noch anders ausgestaltet. Insbesondere existiere ein "ewiges Widerrufsrecht."
Schon gewusst? Verbraucherrecht 2021: Die Garantie!
Zahlt ein Darlehnsnehmer seine Schulden vorzeitig zurück (sogenannte Sondertilgung), verliert der Darlehensgeber, in aller Regel die Bank, Einkünfte aus Zinsen. Um einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Darlehnsnehmers zu schaffen, das Darlehn vorzeitig zurückzuzahlen und dem Interesse des Darlehnsgebers, Zinsen zu erhalten, hat der Gesetzgeber die Vorschrift über die Vorfälligkeitsentschädigung geschaffen:
§ 502 BGB Vorfälligkeitsentschädigung
(1) Der Darlehensgeber kann im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet. Bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen gilt Satz 1 nur, wenn der gebundene Sollzinssatz bei Vertragsabschluss vereinbart wurde.
(2) Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn
1.die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die auf Grund einer entsprechenden Verpflichtung im Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern, oder
2.im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.
(3) [...]
Das Gesetz gibt Grenzwerte für die Vorfälligkeitsentschädigung vor: Maximal ein Prozent der Restschuld bei einer Laufzeit von über einem Jahr oder von maximal 0.5 Prozent der Restschuld bei einer Laufzeit von weniger als einem Jahr.
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Der Senat des Frankfurter Oberlandesgerichtes qualifizierte die Abrede als Allgemeine Geschäftsbedingung und entschied, dass die Pauschale mit Grundgedanken des Darlehnsrechts nicht vereinbar sei. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und insbesondere die Information über deren Höhe stelle gemäß § 493 Abs. 5 BGB eine Pflicht der Bank dar, die nicht kostentechnisch auf Verbaucher*innen abgewälzt werden dürfe.
Ferner führte der Senat aus, dass die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei für durchschnittliche Verbaucher*innen schwer nachvollziehbar, für die Bank stelle sie allerdings keinen größeren Aufwand dar.
Mehr zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihrer rechtlichen Prüfung erfahren sie hier.
Der Entscheidung aus Frankfurt ging eine Entscheidung aus Karlsruhe voraus. Der Bundesgerichtshof stärke die Rechte von Bausparer*innen (Az.: XI ZR 185/16). Eine Verwaltungsgebühr für die Konten dürfe nicht erhoben werden.
Für Spareinlagen ebenso nicht; demgemäß urteilte das Landgericht Frankfurt: Keine "Strafzinsen" für Spareinlagen
Sondertilgungen sind in der Praxis ein weit verbreitetes Mittel - damit dürfte die Entscheidung aus Frankfurt weitreichende Folgen haben. Verbraucher*innen dürfen sich freuen - denn die Verjährung von Ansprüche wegen unzulässig erhobener Bankgebühren beginnt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erst mit Kenntnis seines Rechts. Die Grundlage für die Kenntnis wurde nun erst geschaffen.
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