IT-Recht 2023: Automatische Verknüpfung in Google-Suchleiste mit "bankrott" - zulässig?

Geschrieben von: Henrik Noszka

Das erste, was viele Menschen machen, wenn sie Kund*innen bei einem Unternehmen werden wollen oder planen, ein Produkt zu erwerben, ist es, zu "Googlen". Nicht schön ist es dann, wenn man als Unternehmer*in erfährt, dass Google bei  Eingabe des Unternehmensnamens in die Suchleiste vorschlägt, das Wort "bankrott" zu ergänzen. Eine solche Assoziation ist sicherlich wirtschaftlich nicht sinnvoll. In einem ähnlichen Fall versuchte sich ein Unternehmer gegen Google zu wehren und verlangte von Google, diese automatisierte Verknüpfung zu unterlassen. Dazu zog es bis vor das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az.:16 U 10/22).

Der Sachverhalt

Wenn Nutzer*innen bei Google den Vor- und Nachnamen des Klägers eintragen, erscheint als erster Vorschlag über die Autocomplete-Funktion von Google der Ergänzungsvorschlag "bankrott". Dies ist der Fall, weil zwei Unternehmen, die zur Unternehmensgruppe des Klägers gehörten, vor knapp zehn Jahren insolvent wurden. Bei Suche nach dem Namen des Klägers über Google erscheint ein Website-Eintrag von einem Inkassounternehmen. Gegen den Ergänzungsvorschlag und die Anzeige des Website-Eintrages klagte der Unternehmer.

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Unterlassung nach der DSGVO

Die Datenschutzgrundverordnung ("DSGVO") normiert keinen ausdrücklichen Unterlassungsanspruch. Dennoch können Betroffene, sofern ihre personenbezogenen Daten (solche Daten, die Rückschlüsse auf eine Person zulassen Art. 4 Nr. 1 DSGVO) unrechtmäßig verarbeitet werden (Daten werden etwa verarbeitet, wenn sie gespeichert, erhoben, geordnet oder offengelegt werden Art. 4 Nr. 2 DSGVO), Unterlassung verlangen. Das ergibt sich aus einer Zusammenschau mit dem Bürgerliches Gesetzbuch ("BGB"). Dieses normiert in § 1004 BGB einen Unterlassungsanspruch. Dieser ist 

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Der Anspruch findet direkt zwar nur Anwendung auf Eigentum. Jedoch wird Eigentum weit verstanden und die Vorschrift findet bei allen eigentumsgleichen Rechten Anwendung. Dazu zählt, jedenfalls das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und dem Oberlandesgericht Köln, auch Artikel 6 DSGVO. 

Hinweis: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wendet auch teilweise Artikel 17 DSGVO an.

Artikel 6 DSGVO regelt die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (zu der auch das Anzeigen über Google zählt oder der Prozess, der hinter den Suchergänzungsvorschlägen steht). Die Vorschrift zählt die Möglichkeiten auf, unter denen die Verarbeitung rechtmäßig ist. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel:

  • Die betroffene Person in die Verarbeitung eingewilligt hat,
  • Die Verarbeitung Teil eines Vertrages ist,
  • Die Verarbeitung durch eine rechtliche Verpflichtung diktiert ist, 
  • Die Verarbeitung für den Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen Person zu schützen,
  • Die Verarbeitung dafür erforderlich ist, eine Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, zu erfüllen,
  • Die Verarbeitung zur Wahrung der Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht der Schutz der personenbezogenen Daten im Einzelfall überwiegt.

Laut der Rechtsprechung müsse das Gericht an dieser Stelle umfassend Abwägen, ob das öffentliche Interesse an der Datenverarbeitung überwiege oder das Interesse des Einzelnen, seine Daten autonom zu verwalten.

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LG Frankfurt: Recht des Unternehmers überwiegt

In erster Instanz, vor dem Landgericht Frankfurt, gewann der Kläger noch. Im Rahmen der Interessenabwägung würde das Persönlichkeitsrechts des Klägers dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen.

Hinsichtlich der Anzeige des Webseiteneintrags zur Zahlungsfähigkeit hätten die Grundrechte des Klägers hinter das Recht der Beklagten und das Interesse aller Nutzer am freien Informationszugang zurückzutreten. Ein datenschutzrechtlicher Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Suchwortvervollständigung "bankrott" bei namensbasierter Suche nach seinem Vor- und Zunamen bestehe ebenfalls nicht. Die Autocomplete-Funktion sei zwar als automatische Verarbeitung personenbezogener Daten einzustufen. Hier hätten die Interessen des Klägers an der Löschung aber hinter die Interessen der Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten.

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OLG Frankfurt: Verarbeitung personenbezogener Daten, aber kein Anspruch

Das Oberlandesgericht hielt zunächst fest, dass die Autocomplete-Funktion eine automatische Verarbeitung personenbezogener Daten sei. Jedoch würden im Einzelfall das Interesse der Öffentlichkeit an den Informationen überwiegen. 

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OLG Frankfurt: Nutzer*innen könnten mit Suchervorschlag an sich "nichts anfangen"

Das Gericht führte weiter aus, dass einem durchschnittlichen verständigen Internetnutzer bewusst sei, dass der Vorschlag durch die Autocomplete-Funktion nur das Ergebnis einer automatisierten Vorgangs sei. Diese sei aber nur der Beginn einer Suche und an sich ungeeignet, um sich ein vollständiges Abbild zu machen. Dies führe dazu, so das Gericht, dass dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein geringeres Gewicht zukomme.

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OLG Frankfurt: Tatsächliche Anknüpfungspunkte

Zusätzlich maß das Gericht der Tatsache Gewicht bei, dass zwei mit dem Kläger assozierte Unternehmen tatsächlich insolvent gegangen sind. Daher würde die Verbindung des Wortes "bankrott" und dem Namen des Klägers nicht ohne jeden Tatsachengrund geschehen. 

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Fazit

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist durch eine umfassende Abwägung geprägt - diese verdeutlicht die Schwierigkeiten die bei dem Versuch bestehen, das öffentliche Informationsinteresse und Persönlichkeitsrechte in Einklang zu bringen.

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