Ein Auskunftsanspruch eines pflichtteilsberechtigten Erben aus §§ 2314 Abs. 1, 260 BGB ist nicht erfüllt, soweit das Nachlassverzeichnis unvollständig oder unrichtig ist. In diesem Fall hat der Pflichtteilsberechtigte sodann einen Anspruch auf Ergänzung der Auskunft oder es kann verlangt werden, dass eine eidesstattliche Versicherung über das Nachlassverzeichnis abgegeben wird. Mitunter kann es auch zu einer Zwangsgeldfestsetzung kommen.
Gerade deshalb ist der Notar, welcher das Verzeichnis beurkundet, zur Ermittlung über den tatsächlich bestehenden Nachlass verpflichtet. Eine einfache Beurkundung der Erklärung des auskunftspflichtigen Erben genügt also nicht, da der Notar durch eine einfach Aussage des Auskunftspflichtigen keinerlei Gewissheit über die Richtigkeit der Erklärung des Auskunftspflichtigen hat. Aus diesem Grund muss der Notar eigenständig Ermittlungen über den Verbleib und den Umfang der Ermittlungen anstellen, um die Richtigkeit zu gewährleisten. Dabei muss dieser nicht bis ins Unergründliche nachforschen. Er ist jedoch dazu angehalten, alle ihm möglichen Quellen auch zu erschöpfen. Dazu zählt vor allem das Anfragen von Banken, bei welchen der Erblasser möglicherweise Konten, Depots oder ähnliches gehabt haben könnte, um den Umfang des Nachlasses zu erfassen. Aber auch Nachforschungen an dem Wohnort des Erblassers müssen möglicherweise angestellt werden. Dabei ist der Notar allerdings auch auf die Mitwirkung der Erben angewiesen. Diese müssen durch den Notar dazu angehalten werden, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen. Dazu gehört die Vorlage von relevanten Dokumenten, wie beispielsweise Urkunden oder Kontoständen, sowie die Aufstellungen über die sich im Nachlass befindlichen Gegenstände des Erblassers.
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Dies zeigt auch der vom LG Darmstadt am 20.09.2021 entschiedene Fall. In diesem stellte der Notar selbst überhaupt keine Nachforschungen an, sondern erstellte das Nachlassverzeichnis lediglich auf Grundlage der Unterlagen, welche er von der Erbin des Verstorbenen erhalten hatte. Zudem unterlies er es Banken anzuschreiben, um sich ein Bild über die finanzielle Lage des Erblassers schaffen zu können. Das Gericht entschied daraufhin, dass es nicht ausreichend sei, dass der Notar das Nachlassverzeichnis lediglich aufgrund von Erklärungen der Erben zusammenstellt. Denn so wirkt er nicht an der Nachlassermittlung mit, sondern erschwert diese möglicherweise sogar und sorgt für Konflikte zwischen den Erben und dem pflichtteilsberechtigten Miterben.
Häufig wissen vermeintliche Erben oder sonstig Berechtigte nicht, wie hoch das Vermögen des Verstorbenen ist und welche Gegenstände ihnen zustehen könnten. Das Gesetz normiert zahlreiche Auskunftsansprüche, die für diese Fragen hilfreich sind und die wir zusammengefasst haben:
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 1: Ansprüche gegen Dritte
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 2: Ansprüche der Miterben
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 3: Auskunftsansprüche des Nacherben
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 4: Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten
Es erscheint daher ebenfalls empfehlenswert für den Notar alle Erben, also auch den pflichtteilsberechtigten Erben, in die Ermittlungen miteinzubeziehen. Da der Notar allerdings vom Erben beauftragt ist, muss er sich dahingehend jedoch von diesem bevollmächtigen lassen. Ein Weisungsrecht bezüglich der vorgenommenen Ermittlungen steht dem Pflichtteilsberechtigten natürlich auch nicht zu, da dieser nicht der Auftragsgeber des Notares ist. Denkanstöße darf er hingegen liefern.