Im Februar 2022 erschien eine Reportage auf YouTube, die den Titel „Verkehrschaos am Frankenschnellweg: Aktivisten kleben sich auf Straße“ trug. Ein Zuschauer fühlte sich veranlasst, seinen Unmut über die Aktivitäten der sog. Letzten Generation zu äußern, indem er schrieb: "Einfach drüber fahren selbst schuld wenn man so blöd is und sich auf die Straße klebt" (Schreibfehler übernommen).
Am 24. Mai 2023 wurde der besagte Mann vom Amtsgericht (AG) Weißenburg wegen Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von je 50 Euro zu 40 Tagessätzen verurteilt. Gem. § 140 StGB Nr. 2 macht sich strafbar, wer eine der genannten Taten öffentlich oder in einer Weise billigt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Das AG verwies in seinem Urteil darauf, dass der Angeklagte durch den Kommentar zum Ausdruck bringen wolle, Verletzungen oder gar die Tötung der Aktivisten durch Dritte zu billigen oder gutzuheißen. Nach dem Urteilsspruch gingen sowohl der Angeklagte, als auch die Generalstaatsanwaltschaft in Berufung.
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In der Berufung wird das Verfahren ganz neu aufgerollt und durch die nächst höhere Instanz erneut verhandelt. Hier sagte der Angeklagte aus, sein Kommentar sei als überspitzter Kommentar einer ohnehin hitzig geführten öffentlichen Debatte gemeint gewesen; ihm habe keine Ernstlichkeit innegewohnt.
Diese Ausführungen hielt das Landgericht (LG) für glaubhaft. Indem es der Äußerung des Angeklagten an Ernstlichkeit mangele, sei das subjektive Tatbestandsmerkmal - der Vorsatz - nicht gegeben. Mit der Äußerung „Einfach drüber fahren“ habe er nicht tatsächlich dazu aufrufen wollen, Aktivisten zu verletzen oder gar zu töten. Der Freispruch erfolgte am 14. November 2023.
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Die Generalstaatsanwaltschaft bediente sich anschließend des nächsten Rechtsmittels - der Revision. Der Fall landete nun vor dem Bayrischen Obersten Landesgericht (BayObLG). In der Revision wird anders als in der Berufung das Verfahren nicht neu aufgerollt, sondern das vorinstanzliche Urteil lediglich auf Rechtsfehler überprüft.
Das BayObLG kam zu der Erkenntnis, es sei weder formelles, noch materielles Recht in der vorherigen Instanz verkannt worden; Rechtsfehler seien nicht auszumachen.
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Der Vorsitzende verwies eindeutig darauf, dass zwar keine Rechtsfehler im vorinstanzlichen Urteil zu erkennen gewesen seien. Insbesondere die Bewertung durch das LG, dass der Angeklagte seinen Kommentar nicht ernst gemeint haben wolle, sei glaubhaft, sei von dem BayObLG nicht zu bewerten. Hier habe die vorherige Instanz vielmehr zwar knapp, aber ausreichend begründet.
Beeindruckend ist dies insofern, als dasselbe Gericht noch im Oktober 2023 geurteilt hatte, mit dem Wahlspruch der Partei „Der III. Weg“ „Hängt die Grünen“ habe sich der Parteivorsitzende wegen Volksverhetzung gem. § 130 StGB und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 StGB strafbar gemacht. Der Tatbestand des § 140 StGB war damals zwar auch verwirklicht, trete aber hinter § 111 StGB zurück. Die Begründung war damals gewesen, jedwede auch grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit trete hinter dem überragenden Stellenwert des Schutzes menschlichen Lebens zurück.
Das BayObLG selbst ging auf diese Parallele ein. Eine Pressesprecherin des Gerichtes bekräftigte daher, das Scheitern der Revision liege lediglich daran, dass vom LG weder materielles noch formelles Recht verkannt wurde. Grundsätzlich sei bei einem solchen Post ein billigendes Inkaufnehmen mit guten Argumenten anzunehmen.