Gerade unter Eheleuten ist die Weitergabe des eigenen E-Mail-Passwortes nichts Unübliches. Doch dabei ist Vorsicht geboten! Vor allem im Hinblick auf die Frage, wie ob Geschäftspartner von einer Bevollmächtigung ausgehen dürfen.
In einem Fall, der vor dem OLG Zweibrücken verhandelt wurde ging es um so eine Situation. Eine Frau hatte ihrem Ehemann den Zugang zu ihrem E-Mail-Account eingeräumt. Dieser nutzte ihren Account sodann regelmäßig.
Die Frau befand sich mit ihrer Versicherung in Verhandlung über die Übernahme der Kosten eines Wasserschadens. Im Laufe der Verhandlungen wurde der Versicherung zu einem Abfindungsvergleich zugestimmt. Später gab die Frau an, die E-Mail gar nicht selbst geschrieben und dem Vergleich gar nicht selbst zugestimmt zu haben.
Das OLG Zweibrücken kam mit dem Urteil vom 15. 1. 2025 (Az.: 1 U 20/24) zu dem Schluss, dass die Frau an den eingegangenen Vergleich gebunden sei. Durch das Einräumen des Passwortes und die Nutzung des Accounts durch ihren Ehemann sei von einer Anscheinsvollmacht auszugehen. Dies sei vor allem anzunehmen, da die Frau dies klar gewusst habe.
Das OLG Zweibrücken hielt in seinem Urteil Folgendes fest:
"Aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers lag ein Angebot der Klägerin als der materiell Berechtigten vor, welches die Beklagte angenommen hatte. Das Angebot kam vom E-Mail Account der Klägerin und war mit ihrem Namen unterzeichnet. Die Beklagte wurde dabei über die Identität des Handelnden getäuscht. Aus ihrer Sicht wollte sie den angebotenen Abfindungsvergleich ausschließlich mit der Klägerin als ihrer Versicherungsnehmerin schließen. Den falschen Anschein hatte die Klägerin gesetzt; dies in Form der Aushändigung von Legitimationsmerkmalen durch Preisgabe ihres Passworts für die Nutzerkennung"
Weiter hieß es im Urteil in Bezug auf die Annahme einer Anscheinsvollmacht:
Von einer Anscheinsvollmacht ist nach herkömmlicher Rechtsprechung auszugehen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters. Dabei greifen die Rechtsgrundsätze der Anscheinsvollmacht in der Regel nur dann ein, wenn das Verhalten von gewisser Dauer und Häufigkeit ist
In einem Fall aus dem Jahr 2002 ging es um ein interessantes Gegenbeispiel: Das Oberlandesgericht Köln (Az.: 19 U 16/02) entschied, dass die bloße Nutzung eines E-Mail-Accounts nicht automatisch zur Annahme einer Anscheinsvollmacht führt. Im zugrundeliegenden Fall wurde ein Gebot bei einer Auktion über eine E-Mail-Adresse abgegeben, die auf den Beklagten registriert war. Dieser bestritt jedoch, das Gebot selbst abgegeben zu haben, und gab an, dass sein E-Mail-Account missbräuchlich genutzt worden sei.
Das Gericht stellte klar, dass der Inhaber einer E-Mail-Adresse nicht ohne Weiteres für deren Nutzung haftet. Es fehle an einem schützenswerten Vertrauen des Vertragspartners, wenn der Inhaber keine Kenntnis von der Nutzung hatte und keine pflichtwidrige Sorgfaltspflichtverletzung vorlag. Eine Anscheinsvollmacht könne nur dann angenommen werden, wenn die Nutzung des Accounts regelmäßig und mit Wissen des Inhabers erfolgte.
Der Organisator der Auktion hätte damals beweisen müssen, dass das Gebot tatsächlich von dem Inhaber des E-Mail-Accounts gekommen sei.
Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit des objektiven Empfängerhorizontes. Ein Vertragspartner darf tatsächlich darauf vertrauen, dass die E-Mail von der Inhaberin des E-Mail-Accounts kommt.
Für Privatleute ist gerade in Bezug auf ihre E-Mail-Accounts Vorsicht geboten. Die Weitergabe eines Passworts kann bisweilen erhebliche finanzielle Folgen haben und sollte niemals leichtfertig erfolgen!