Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich mit der Erstattungsfähigkeit der Vergütung von Inkassounternehmen befasst. Das Urteil wirft auf den ersten Blick Fragen auf.
In dem verhandelten Fall ging es um offene Rechnungen. Ein Unternehmen (im Folgenden: Gläubiger) beauftragte eine Schwestergesellschaft zum Einziehen offener Forderungen mit Inkassodiensten. Die beiden Unternehmen galten gem. § 15 AktG als verbundene Unternehmen.
Der Tätigkeit des Inkassounternehmens für das verbundene Unternehmen lag eine Vereinbarung zugrunde, die Folgendes bezüglich der Vergütung regelte:
Stundung der Inkassovergütung: Der Gläubiger der Forderungen beauftragte das Inkassounternehmen mit der Einziehung der offenen Forderungen. Die hierfür anfallende Inkassovergütung wurde bis zum erfolgreichen Forderungseinzug gestundet, sodass zunächst keine unmittelbare Zahlung zu erfolgen brauchte.
Vergütungsabwicklung bei erfolgreicher Einziehung: Im Falle eines erfolgreichen Forderungseinzugs galt die Inkassovergütung als durch die eingezogenen Beträge beglichen.
Abtretung bei erfolgloser Einziehung: Sollte die Forderung nicht erfolgreich eingezogen werden können, trat der Gläubiger seinen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner an das Inkassounternehmen ab, anstatt die Inkassovergütung direkt zu zahlen.
Durch diese Regelung musste der Gläubiger faktisch keine direkten Zahlungen an das Inkassounternehmen leisten, da entweder die Vergütung aus den eingezogenen Beträgen bestritten oder der Schadensersatzanspruch abgetreten wurde.
Ein Musterfeststellungsverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das Verbrauchern ermöglicht, ihre Ansprüche gebündelt gegen ein Unternehmen geltend zu machen, ohne selbst klagen zu müssen.
Das Gericht klärt in diesem Verfahren grundsätzliche Rechtsfragen, z. B. ob ein bestimmtes Verhalten eines Unternehmens rechtswidrig war. Einzelne Verbraucher müssen ihre Ansprüche anschließend nicht mehr selbst beweisen, sondern können sich auf das Urteil stützen und Schadensersatz oder andere Leistungen einfacher durchsetzen. Dieses Verfahren wurde in Deutschland 2018 eingeführt – insbesondere, um Verbraucherschutzfälle effizienter zu regeln, wie z. B. im Diesel-Skandal gegen VW.
Das Oberlandesgericht (OLG) in erster Instanz hatte in dem Fall angenommen, dass die Vergütungskosten des Inkassounternehmens für den Gläubiger (also den Musterbeklagten) keinen ersatzfähigen Verzugsschaden im Sinne des § 249 ff. BGB darstelle. Dies führe dazu, dass kein Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten gegenüber dem Schuldner bestehe. Das OLG begründete diese Entscheidung damit, dass Rechtsverfolgungskosten (zu denen Inkassovergütung zählt) nur dann zu ersetzen seien, wenn der Geschädigte auch gegenüber dem für ihn tätigen Inkassodienstleister zur Zahlung der in Rede stehenden Kosten verpflichtet sei. Da der Inkassodienstleister und die Musterbeklagte jedoch durch Absprache keine Vergütung hätte bezahlen müssen, liege ein solcher ersatzfähiger Schaden nicht vor.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des OLG aufgehoben. In dem Urteil vom 19.02.2025 wies der VII. Zivilsenat zunächst darauf hin, dass nach gefestigter Rechtsprechung des BGH die Vergütungskosten eines Inkassounternehmens ersatzfähig seien, sofern sie nach Verzugseintritt entstanden sind.
Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit sei, ob die Rechtsverfolgungskosten aus Sicht des Geschädigten notwendig und sinnvoll erschienen. Da der Musterbeklagte im vorliegenden Fall erforderlicherweise und auch zweckmäßig das Inkassounternehmen beauftragte, sei dies auch hier ersatzfähiger „Schaden“ anzunehmen. Entscheidend sei schließlich, dass der Gläubiger gem. § 241 I BGB einer Vergütungsverpflichtung gegenüber dem Inkassodienstleister ausgesetzt ist, unabhängig davon, ob diese tatsächlich gestundet oder durch Abtretung erfüllt wird.
Üblicherweise berechnet sich der Schaden nach der Differenzhypothese. Hierbei wird die Vermögenslage vor dem Schädigenden Ereignis mit der Vermögenslage nach dem schädigenden Ereignis verglichen. Die Differenz daraus stellt den Schaden dar, der zu ersetzen ist. Sinn dahinter ist es, den Gläubiger nicht aufgrund des Nicht-Zahlens des Schuldners zu belasten. Bei Fällen, in denen ein Inkassodienstleister eingeschaltet wird, um an die Zahlungen des sich in Verzug befindenden Schuldners zu gelangen, wäre das schädigende Ereignis also die Anstellung des Inkassodienstleisters, da diese eine Bezahlung mit sich bringt, die so von dem Gläubiger nicht angestrebt war.
Bei der Bestimmung des Schadens weist das Urteil des BGH darauf hin, dass die Vereinbarung mit dem Inkassounternehmen für den Gläubiger vorteilhaft sei. Dennoch schulde er diese Leistung grundsätzlich nach § 241 I BGB. Gleichzeitig wies der BGH darauf hin, dass dies anders zu beurteilen sein könne, wenn es sich von Seiten des Inkassounternehmens und dessen Schwesterunternehmen um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten handle.
Die Ansichten des OLG und des BGH sind in diesem Fall spektakulär gegensätzlich. Das OLG untersucht den Schaden insoweit, als es prüft, wo der Gläubiger tatsächlich welche Vermögenseinbuße erlitten hat, die ihm bei normaler Erfüllung des Schuldners erspart geblieben wäre. Der BGH hingegen stellt sich mehr in die generelle Perspektive, wann mit zusätzlichen Einbußen für den Gläubiger zu rechnen wäre. Dass schadenbegründende Zahlungen letzten Endes nicht passieren, sieht der BGH als weniger entscheidend an - eine Pflicht zur Bezahlung eines Inkassounternehmens bestehe nämlich unabhängig davon.
Dies widerspricht einer strengen Auslegung der Differenzhypothese: Sie erfordert, dass das Vermögen wirklich geringer ist, als es ohne das schädigende Ereignis gewesen wäre. Dies ist im vorliegenden Fall - mit Ausnahme einer Nichterfüllung des Schuldners - jedoch nicht der Fall.