Die Testierfreiheit genießt in Deutschland hohen Stellenwert. Sie wird vom Grundgesetz selbst geschützt. In Artikel 14 Abs. 1 GG ist geregelt, dass das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet werden. Jede natürliche Person darf also zunächst bestimmen, wer was von ihr erbt. Der vor dem BGH verhandelte Fall war jedoch außergewöhnlich.
Die Konstellation war Folgende. Ein Mann hatte mit seinem Arzt die Vereinbarung getroffen, diesem nach seinem Tod sein Grundstück zu überlassen. Im Gegenzug dazu versprach der Arzt ärztliche Leistungen in Form von regelmäßigen Hausbesuchen sowie ständige Erreichbarkeit übers Telefon. Dieser Vertag wurde auch notariell als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ beglaubigt.
Zwei Jahre später starb der Patient und der Hausarzt selbst ging insolvent. Der Insolvenzverwalter wollte das in Rede stehende Grundstück sodann in die Insolvenzmasse übertragen lassen. Besitz an dem Grundstück hatte zu dieser Zeit die Tochter des Verstorbenen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte begründet, bei der Zuwendung an den Arzt handle es sich um ein Vermächtnis. Dieses Vermächtnis sei auf Grund der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe unwirksam. Gem. § 32 dieser Berufsordnung ist es Ärzten nicht erlaubt, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.
Gegen diese Vorschrift habe der Arzt mit der Vereinbarung, im Todesfall werde das Grundstück auf ihn übergehen, verstoßen. Die Zuwendung sei also gem. §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB unwirksam, so die ersten Instanzen.
Der BGH vertrat dazu nun eine andere Auffassung.
Schutzrichtung der Norm geht in eine andere Richtung, so der Tenor des Urteils. Die Vorschrift aus der Berufsordnung verbietet lediglich ein bestimmtes Verhalten des Arztes, schützt jedoch nicht den Patienten oder die Erwartungen seiner Angehörigen, zu erben.
Außerdem führte der BGH an, die Annahme einer Unwirksamkeit des Vermächtnisses führe zu einer Einschränkung der durch das Grundgesetz geschützten Testierfreiheit. Sie ergibt sich aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG.
Damit geht das Verfahren jedoch nicht zu Ende. Das Urteil aus Karlsruhe verweist die Sache lediglich zurück an das OLG Hamm. Hier wird nun zu prüfen sein, ob die Vereinbarung zwischen dem Arzt und dem verstorbenen Patienten gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstößt.