Erbrechtliche Streitigkeiten sind auf mühsam, ziehen sich über Jahre und haben große Auswirkungen auf familiäre Strukturen. Das Oberlandesgericht Celle hat grundsätzlich zu der Frage Stellung bezogen, wie weit das Vertrauen eines durch Testament eingesetzt Erben reicht (Az.: 6 U 2/22).
Eine alleinstehende und kinderlose Multimillionärin setzte durch Testament im Jahr 2008 ihren langjährigen Steuerberater als Alleinerben ein. Durch einen vor einem Notar geschlossenen Erbvertrag im Jahr 2014 erneuerte und bekräftigte sie ihr Vorhaben. Die Dame verstarb im Jahr 2015. Das Amtsgericht Hannover, das für die Erteilung des Erbscheins zuständig war, holte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein. Dieses kam zum Ergebnis, dass die Verstorbene aufgrund wahnhafter Störungen nicht in der Lage war, wirksam zu testieren.
Häufig wissen vermeintliche Erben oder sonstig Berechtigte nicht, wie hoch das Vermögen des Verstorbenen ist und welche Gegenstände ihnen zustehen könnten. Das Gesetz normiert zahlreiche Auskunftsansprüche, die für diese Fragen hilfreich sind und die wir zusammengefasst haben:
- Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 1: Ansprüche gegen Dritte
- Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 2: Ansprüche der Miterben
- Auskunftsansprüche im Erbrecht - Teil 3: Auskunftsansprüche des Nacherben
- Auskunftsansprüche im Erbrecht - Teil 4: Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten
Wer wie erbt, ist genau im Bürgerlichen Gesetzbuch ("BGB") vorgegeben. Grundsätzlich erben die nächsten Angehörige (Abkömmlinge, Ehepartner oder sonstige Verwandte). Ab dem Alter von 16 Jahren steht es aber allen Menschen frei, genau zu regeln, wer Erbe sein soll. Erblasser genießen dabei eine weite Testierfreiheit und müssen sich daher in erster Linie nur an die Formerfordernisse des Erbrechts halten. Allerdings steht den gesetzlichen Erben auch bei einer Enterbung grundsätzlich ein sogenannter Pflichtteil zu.
Liegt kein Testament oder Erbvertrag vor (gewillkürte Erbfolge), bleibt es bei den durch Gesetz vorgegebenen Erben, also den nächsten Angehörigen. Ist ein Testament unwirksam, profitieren die gesetzlichen Erben ebenfalls.
Wir haben in diesen Beiträgen Grundlagenwissen zur Erbfolge, zum Testament und zu anderen erbrechtlichen Fragestellungen zusammengefasst:
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Im Fall des Oberlandesgerichts Celle stellte sich die Frage, ob die verstorbene Multimillionärin als testierfähig anzusehen war. Testierfähig ist, wer wirksam ein Testament errichten kann. Das sind - abweichen von der allgemeinen Regelung, dass man erst mit 18 Jahren voll geschäftsfähig ist - grundsätzlich alle Menschen, die älter als 16 Jahre alt sind (§ 2229 Abs. 1 BGB) und die geistig gesund sind (§ 2229 Abs. 4 BGB):
§ 2229 BGB Testierfähigkeit Minderjähriger, Testierunfähigkeit
(1) Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
(3) (weggefallen)
(4) Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.
Ob eine Person unter einen "krankhaften Störung" leidet, ist durch ein psychologisches Gutachten zu eruieren. Dafür wird ein Sachverständiger gerichtlich bestellt.
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Das Oberlandesgericht machte deutlich, dass der durch Testament eingesetzte Erbe das Risiko dafür trägt, dass das Testament (un)wirksam ist. Zwar sei der Erblasser grundsätzlich als testierfähig anzusehen, bis das Gegenteil gutachtlich bewiesen wurde. Stellt sich allerdings durch ein psychologisches Gutachten heraus, dass der Erblasser nicht testierfähig war, muss der durch Testament eingesetzte Erbe alle Nachlassgegenstände an die gesetzlichen Erben herausgeben.
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Der 6. Zivilsenat des Gerichts betonte, dass es nicht darauf ankomme, ob der Steuerberater Kenntnis von der Krankheit gehabt habe. Sowohl Unkenntnis als auch Kenntnis würden nichts an dem gesetzlich vorgegebenen Risiko ändern.
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Es muss, um eine komplizierte Differenzierung und Sortierung der Nachlassgegenstände zu verhindern, genau geprüft werden, ob ein Testament oder ein Erbvertrag wirksam sind. Dafür stehen wir gerne zur Verfügung!
Schon gewusst? Bei Schumacher und Partner in Essen finden Sie ihren Rechtsanwalt für Erbrecht!
Bei weiteren Fragen zum Thema Erbrecht, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
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