Erbrecht 2023: Pflichtteilsstrafklauseln

veröffentlicht am in der Kategorie Allgemeines Zivilrecht Erbrecht

Viele, vor allem von Eheleuten gemeinschaftlich geschlossene Testamente, enthalte sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat sich dazu geäußert, wann derartige Klauseln erfüllt sind (Az.: 21 W 104/22).

Pflichtteilsstrafklauslen

Pflichtteilsstrafklauseln haben das Ziel, Erben davon abzuhalten, ihren Pflichtteil in Anspruch zu nehmen. Unter dem Pflichtteil versteht man eine Mindestbeteiligung am Erbe. Er kann nur von bestimmten Angehörigen unter bestimmten Umständen des Erblassers eingefordert werden.

In diesem Beitrag haben wir zusammengefasst, welche Voraussetzungen ein solcher Pflichtteilsanspruch hat und in diesem Beitrag haben wir die Höhe des Anspruchs analisiert.  

Pflichtteilsstrafklauseln finden sich besonders häufig in gemeinschaftlichen Testamenten. Nur Eheleuten oder Lebenspartnern können diese abschließen. Sie zeichnet aus, dass nach dem Tode des Erstversterbenden wechselbezügliche Verfügungen aus dem Testament bindend werden. Der Überlebende kann diese Verfügungen dann nicht mehr widerrufen.

Haben sich Ehegatten beim Tode des Erstversterbenden gegenseitig als Erben eingesetzt und verfügt, dass beim Tode des Zweitversterbenden der Nachlass an die gemeinsamen Kinder fallen soll, so kann der Überlebende seine Verfügung zu Gunsten der Kinder nach dem Tode des Erstverstorbenen nicht mehr widerrufen (sog. Berliner Testament). Zugleich kann er (oder sie) aber frei mit dem Erbe umgehen, bevor es weitergegeben wird.

Schon gewusst? In diesem Beitrag haben wir alle Testamentformen aufgeführt.

Die Pflichtteilsstrafklauseln sind von Bedeutung, wenn ein Ehegatte verstorben ist und der andere mit dem Erbe frei umgehen soll. Beantragt einer der Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil, wird er vom vollen Erbe, was nach dem Tod des letztüberlebenden Eehgatten anfällt, ausgeschlossen. 

Die Klauseln dienen also dazu, den überlebenden Ehegatten weiter abzusichern. 

Schon gewusst? Häufig wissen vermeintliche Erben oder sonstig Berechtigte nicht, wie hoch das Vermögen des Verstorbenen ist und welche Gegenstände ihnen zustehen könnten. Das Gesetz normiert zahlreiche Auskunftsansprüche, die für diese Fragen hilfreich sind und die wir zusammengefasst haben:

Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 1: Ansprüche gegen Dritte

Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 2: Ansprüche der Miterben

Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 3: Auskunftsansprüche des Nacherben

Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 4: Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten

Der Sachverhalt

Zwei Eheleute hatten ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, dass die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzte und nach dem Tod des überlebenden Ehegatten die Kinder von den Eheleuten zu gleichen Teilen als Erben einsetzte (Berliner Testament). Zur Absicherung hatten sie eine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen (ausgenommen sei „das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat“).

Nach dem Tod des Ehemannes beantragte eine der Töchter ihren Pflichtteil. Er wurde aber nicht ausgezahlt.

Vor Gericht wurde nun gestritten, ob ihr, wie den anderen Kindern auch, 1/3 der Erbmasse zustehe.  

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OLG Frankfurt: Pflichtteil muss erhalten und beansprucht sein

Das Oberlandesgericht stellte klar, dass alle Töchter Erbinnen zu jeweils 1/3 geworden seien. Die Pflichtteilsstrafklausel sei nicht erfüllt. Dies sei erst der Fall, wenn der Antragsteller den Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. 

Der tatsächliche Mittelabfluss sei Grundlage für die Sanktion. Denn Hintergrund sei der Schutz der Erbmasse des überlebenden Ehegatten. Die Erbmasse werde aber nicht gefährdet, wenn keine Mittel aus ihr abfließen.

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Fazit

Die Entscheidung lehrt, dass die sanktionierende Wirkung der Pflichtteilsstrafklauseln erst eintritt, wenn der Pflichtteil tatsächlich beansprucht wurde. Es bleibt offen, ob die Klauseln derart umformuliert werden können, dass sie auch schon bei bloßer Beantragung aktiviert werden. An sich müsste dies den Erblassern freistehen – es kommt aber auf die Formulierung an. 

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