Erbrecht 2023: Hausverbot in Testament ist sittenwidrig

Geschrieben von: Henrik Noszka

Über Erbschaften wird in Deutschland viel gestritten. Im Mittelpunkt dabei häufig - das Testament. Das Testament gibt dem jeweiligen Erblasser große Freiheiten, zu entscheiden, was mit dem Vermögen nach dem Tod geschehen soll. Daher kann der Erblasser auch entscheiden, dass bestimmte Vermögenswerte nur bedingt übertragen werden. Eine Erblasserin aus Bochum nahm ihre große Gestaltungsmacht zum Anlass, zu versuchen, ihrem quasi Schwiegersohn das Betreten ihres Grundstücks zu verbieten. Ihre Tochter und ihre Enkelin sollten ihr Grundstück nur erben, wenn sie beide dem Freund der Tochter verbieten, das Grundstück zu betreten. Das Oberlandesgericht Hamm kam zu dem Entschluss, dass in dem konkreten Fall diese Klausel sittenwidrig ist (Az.: 10 U 58/21).

Hausverbot für den unliebsamen Freund?

Die Erblasserin wohnte zusammen mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin in ihrem Haus. Der Freund der Tochter, der auch der Ziehvater der Enkelin ist, ging in dem Haus ein und aus. Alle - inklusive der Erblasserin - führten ein  familiäres Zusammenleben. Die Erblasserin setzte ihre Tochter und hilfsweise ihre Enkelin als Erben ein und machte dabei trotz des familiären Zusammenlebens zwei Bedingungen im Testament.

  • Erstens soll es den Erben nicht möglich sein, dem Freund der Tochter das Grundstück jemals zu übertragen.
  • Zweitens sollen die Erben dem Freund verbieten, das Grundstück jemals wieder zu betreten.

Schon gewusst? In diesem Beitrag haben wir alle Testamentformen aufgeführt.

Erben klagen auf Sittenwidrigkeit

Die Erben wollten daraufhin vom Landgericht Bochum bestätigt wissen, dass jedenfalls die zweite Bedingung sittenwidrig ist. 

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Die Sittenwidrigkeit im Erbrecht

Im Erbrecht kommt der Testierfreiheit erhebliches Gewicht zu. Nur in absoluten Ausnahmefällen sind Bestimmungen sittenwidrig.  

SIttenwidrig sind etwa Testamente, die gegen das Verbot verstoßen, dass Pflegekräfte in Pflegeeinrichtungen keine Geschenke annehmen dürfen.

Umfassende Abwägung

Die Richter müssen eine umfassende Abwägung vornehmen zwischen der Testierfreiheit und den Freiheitsrechten anderer. Grundsätzlich kommt der Testierfreiheit Vorrang zu. Erst wenn aber mit der "kalten Hand" das Leben der Erben gesteuert wird und sie mittels der Erbschaft zu Handlungen gezwungen werden, die in ihre Rechte eingreifen und die sie unter normalen Umständen niemals machen würden, tritt die Testierfreiheit zurück. Aber selbst in diesen Fällen kommt der Testierfreiheit noch erhebliches Gewicht zu. Denn soweit die Bedingung einen Bezug zum Erbgegenstand aufweist, müsse dies auch in die Abwägung einfließen.

Schon gewusst? Häufig wissen vermeintliche Erben oder sonstig Berechtigte nicht, wie hoch das Vermögen des Verstorbenen ist und welche Gegenstände ihnen zustehen könnten. Das Gesetz normiert zahlreiche Auskunftsansprüche, die für diese Fragen hilfreich sind und die wir zusammengefasst haben:

- Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 1: Ansprüche gegen Dritte

- Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 2: Ansprüche der Miterben

- Auskunftsansprüche im Erbrecht - Teil 3: Auskunftsansprüche des Nacherben

- Auskunftsansprüche im Erbrecht - Teil 4: Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten

Unzumutbarer Druck auf Erbin

So lag es laut Oberlandesgericht Hamm auch hier. Das Verbot, dass der Partner das geerbte Haus betrifft, greift tief in die Rechte der Erbin ein, ihre Leben frei zu gestalten. Zudem greift die Bedingung auch in das Recht der Enkelin, ebenfalls Erbin, ein. Denn die Verbindung zwischen ihr und ihrem Ziehvater würde erheblich leiden.

Ähnlich verhält es sich mit Testamenten, die fordern, dass der Erbe eine bestimmte Person heiratet oder nicht heiraten darf. Das greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Erben ein.

Bedingung ist sittenwidrig

Daher kam das Gericht zum Ergebnis, dass die Bedingung sittenwidrig ist. Zwar weise die Bedingung eine Verbindung zum Erbgegenstand, dem Haus in Bochum, auf. Das familiäre Zusammenleben, was bis zum Tod der Erblasserin in dem Haus vorherrschte, könne nicht fortgeführt werden. Damit sei der Persönlichkeitsbereich von Tochter und Enkelin betroffen. 

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