Auch in der derzeitigen Corona-Pandemie wird bereits vielfach über etwaige Impfpflichten diskutiert. So befasst sich auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) derzeit mit der Frage, in wie weit die in Deutschland geltende Regelung bezüglich eines Immunitätsnachweises für Masern rechtmäßig ist. In einem ähnlichen Verfahren hatte sich nun der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Impfpflichten zu befassen.
Der Sachverhalt
Konkret ging es bei dem, dem EGMR vorgelegten, Verfahren um Impfpflichten in Tschechien. In Tschechien gilt eine Impfpflicht gegen neun bekannte Kinderkrankheiten wie Masern, Mums und Röteln. Bei Verstößen gegen die Impfpflicht droht Eltern ein Bußgeld; auch sind Kindergärten und Krippen berechtigt, ungeimpfte Kinder abzuweisen.
Das Verfahren
Gegen diese Impfpflicht hatten sechs Elternpaare bzw. deren Kinder geklagt. Der EGMR hatte sich daher im Verfahren mit der Frage zu befassen, ob diese Impfpflicht gegen Menschenrechte verstößt.
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Die Entscheidung
Die Große Kammer urteilte nun, dass die Impfpflicht zwar einen Eingriff in das Recht auf Privatleben darstelle. Jedoch sei die Regelung dennoch rechtmäßig, da sie insgesamt als angemessen anzusehen sei.
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Ziel der Impfpflicht sei demnach, Kinder vor schweren Krankheiten und damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken zu schützen. Dieser Schutz liege gerade auch im Interesse der Kinder. Im Rahmen einer Abwägung überwiege daher der Gesundheitsschutz. Die Impfpflicht ist damit rechtmäßig.
Corona-Pandemie 2021
Die „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“ legt fest, wer in welcher Reihenfolge einen Anspruch auf eine Impfung hat. Die Anordnung einer Impfpflicht enthält sie nicht. Grundsätzlich ist eine gesetzlich eingeführte Impfpflicht aber möglich und verfassungskonform. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 1959 anlässlich der Pflicht zu Pockenschutzimpfungen entschieden.
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Impfpflichten in Deutschland
In Deutschland bestehen derzeit keine Impfpflichten. Allerdings gilt für Kinder, dass diese für den Besuch von Kitas und Schulen eine Immunität gegen Masern nachweisen müssen. Dieser Nachweis ist 2020 durch das Masernschutzgesetz eingeführt worden, mit dessen Rechtmäßigkeit sich derzeit auch das BVerfG befasst.
Auch im heutigen Infektionsschutzgesetz (IfSG) findet sich mit § 20 Abs. 6 S. 1 eine derartige gesetzliche Grundlage, wonach „bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist„.
Impfpflicht am Arbeitsplatz?
Daher stellt sich weiter die Frage, ob der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) den Arbeitnehmer schlicht anweisen kann, sich impfen zu lassen bzw. eine Impfung durch den Betriebsarzt zu dulden.
Die kurze Antwort: In einem „Normal-Arbeitsverhältnis“ wird das Direktionsrecht wohl keine ausreichende Grundlage sein, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Denn das (nicht) Impfen ist kein dienstliches Verhalten. Der Arbeitnehmer ist in seinem außerdienstlichen Verhalten grundsätzlich frei. Solange es keine gesetzliche Impfpflicht gibt, kann ein Arbeitgeber dies also auch nicht von seinen Mitarbeitern verlangen und zwangsweise durchsetzen.
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Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen
Über Ausnahmen könnte nur in besonders gelagerten Fällen nachgedacht werden. Wer beispielsweise als Arbeitgeber eine Lungenfachklinik oder eine Pflegeeinrichtung betreibt, dürfte ein hohes Interesse daran haben, dass das bei ihm eingesetzte pflegerische Personal geimpft ist. Gegebenenfalls verlangen auch die Patienten oder deren Angehörige den Einsatz von „geimpften Personal“. Aber auch dann dürfte eine arbeitgeberseitige Anweisung zum Impfen nur schwer möglich sein.
Allerdings kann bei Impfverweigerern an eine ordentliche personenbedingte Kündigung wegen Wegfalls der Eignung gedacht werden. Nach der Rechtsprechung reicht es für eine solche Kündigung aus, wenn aufgrund fehlender oder weggefallener persönlicher Eigenschaften eine vertragsgerechte Beschäftigung nicht mehr möglich ist (vgl. BAG, Urt. v. 19.12.2013).
Beachte:
Neu eingestellte Arbeitnehmer wird man gleichermaßen fragen dürfen, ob diese geimpft sind bzw. eine Impfung zur Einstellungsbedingung machen können.
Fazit
In Deutschland gilt derzeit auch im Rahmen der Covid19-Pandemie keine Impfpflicht. Jedoch ist eine solche grundsätzlich denkbar, wie die Entscheidung des BVerfG von 1959 belegt. Auch der EGMR bestätigte nun, dass eine Impfpflicht im Einzelfall angemessen sein kann, um die Bevölkerung vor gefährlichen Krankheiten zu schützen.
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