Dürfen Polizeieinsätze gefilmt werden?

30. Januar 2025
Geschrieben von: Henrik Noszka

Eine Frage, die gegenwärtig großflächig in der Rechtsprechung diskutiert wird ist diese, ob Polizeieinsätze gefilmt werden dürfen. Dies hängt vor allem mit Polizeigewalt zusammen. Die Diskussion ist deshalb so relevant, weil das Filmen mitunter einen Straftatbestand erfüllen kann. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Entscheidungen zu der Thematik. Das Landgericht Hanau äußerte sich ebenfalls zur Streitfrage - mit einer differenzierenden Ansicht. Eine Strafbarkeit liege jedenfalls nicht vor, wenn die Bodycams aktiviert seien (Az.: 1 Qs 23/22).

Filmen von Polizeieinsätzen - Schutz von Wort und Bild

In Deutschland genießt die Privatsphäre gesetzlich umfassenden Schutz. Den Grundstein dafür bildet das "Allgemeine Persönlichkeitsrecht". Das Recht steht nicht ausdrücklich im Gesetz. Es hat sich vielmehr erst durch verschiedene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entwickelt. Es wird aus einer Zusammenschau von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (der Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG (der freien Entfaltung der Persönlichkeit) gelesen. Es schützt den gesamten privaten Lebensbereich vor (staatlichen) Eingriffen von der sozialen Sphäre (Kontakte zu anderen) über die Privatsphäre (Beziehungen, häuslicher Bereich etc.) bis hin zur Intimsphäre (Tagebücher etc.).

Der Schutz der Privatsphäre erstreckt sich auch ins Berufliche. Beim Filmen von Polizeieinsätzen schützen zahlreiche Vorschriften die Polzeibeamten. Von besonderer Relevanz sind die Vorschriften, die zu einer Strafbarkeit des Filmenden führen können. Zwei Vorschriften kommen hierfür in Betracht. 

Zunächst das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG). Dieses knüpft an alle Sphären an und regelt, dass sofern Bilder von einer Person angefertigt werden, dies nur mit Einwilligung desjenigen erfolgen darf, der abgebildet wird.

§ 22 KunstUrhG

Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. [...]

§ 33 KunstUrhG

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

Hinweis: § 23 KunstUrhG sieht Ausnahmen vor, wenn Bildnisse einer Person ohne dessen Einwilligung angefertigt und veröffentlicht werden dürfen.

Allerdings machte 2015 das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass eine Strafbarkeit nur in Betracht komme, wenn Videos und Fotos mit dem Willen angefertigt werden, sie zu veröffentlichen. Das reine Filmen habe jedoch meist nur einen reinen Dokumentationscharakter. Deshalb könne die Polizei Maßnahmen (etwa Beschlagnahmung des Mobiltelefons), nicht nur auf den Verdacht stützen, dass das Video eventuell veröffentlicht wird. Wenn ein Video allerdings tatsächlich veröffentlicht wird, kommt eine Strafbarkeit selbstredend in Betracht.

Nach dem Beschluss sind auch Staatsanwaltschaften zurückhaltender geworden und ziehen für Verfahren eine andere Vorschrift heran. Nämlich § 201 Strafgesetzbuch (StGB). Diese knüpft an die Privatsphäre an und schützt alle nicht-öffentlichen (beruflichen) Gespräche. Denn es soll im Herrschaftsbereich des Einzelnen liegen, wem er seine Gesprächsinhalte zugänglich macht. Eine unbedachte und vielleicht noch nicht abgeschlossene Bemerkung soll nicht gegen den Willen des Urhebers ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Das sichert auch das Strafrecht ab:

§ 201 Strafgesetzbuch Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt
oder
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt
1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.

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Öffentlich oder nicht

Das Problem ist, dass es oftmals dem Zufall überlassen ist, ob ein Polizeieinsatz öffentlich oder nicht-öffentlich ist. Wird etwa nachts ein Fahrradfahrer kontrolliert und ein Passant spaziert langsam vorbei, ist das Gespräch häufig schon nicht mehr nicht-öffentlich.

Hinweis: Nicht-öffentlich wird wie folgt definiert: Nichtöffentlich sind Gespräche oder Diskussionen, wenn der Teilnehmerkreis individuell begrenzt ist, dh nicht einem beliebigen Zutritt offen steht.

Streit um die Anwendung von § 201 StGB

Vor Gerichten sowie in der Rechtswissenschaft streitet man sich, seitdem § 201 StGB ins Zentrum von gerichtlichen Verfahren gerückt ist, über dessen Anwendung im Bezug auf Polizeieinsätze. Einige vertreten die Ansicht, die Vorschrift passe von vorne rein nicht auf Polizeieinsätze. Andere werfen in die Waagschale, dass ein Filmen zum eigenen Schutz doch möglich sein müsse.

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Der Sachverhalt

Das Landgericht Hanau hatte die Sicherstellung eines Smartphones zu prüfen. Nachdem ein PKW gegen 0:40 Uhr ein entgegenkommendes Polizeiauto anhupte, führten die Polizeibeamten eine Verkehrskontrolle bei dem PKW durch. Zwischen den drei Männer, die im PKW saßen, und den Polizeibeamten entstand eine Diskussion über die Notwendigkeit der Maßnahme. Nachdem ein Polizist zu Dokumentationszwecken seine Bodycam einschaltete, fing einer der Männer an, auch mit seinem Smartphone das Geschehen zu filmen. Daraufhin stellte der Polizist das Handy wegen eines Anfangsverdachts einer Straftat sicher - nach vorheriger Rücksprache mit dem Bereitschaftsrichter.

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LG Hanau: Bodycam an?

Das Landgericht Hanau prüft im Rahmen der Prüfung der Sicherstellung auch den Straftatbestand des § 201 StGB an. Zwar liege in aller Regel bei einer nächtlichen Polizeikontrolle ein nichtöffentliches Gespräch vor dessen Filmen entsprechend unter Strafe steht. Allerdings veränderte sich die Situation, sobald die Polizeibeamten selbst ihre Bodycams einschalten. In diesem Moment ist das Gespräch potenziell für eine breite Öffentlichkeit zugänglich,

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LG Hanau: Appell an den Gesetzgeber

Das Landgericht appellierte auch an den Gesetzgeber. Weil es derart normal sei, Alltägliches mit dem Smartphone festzuhalten und es vor allem in besonderen Situationen beansprucht werde und außerdem die Strafbarkeit vom bloßen Zufall abhänge, solle der Gesetzgeber nachbessern und eine leicht verständliche Lösung schaffen, die dem Interesse der Bürger dient. 

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Fazit

Die Frage, ob das Filmen eines Polizeieinsatzes strafbar ist nach § 201 StGB, kann letztendlich nur der Bundesgerichtshof beantworten. Allerdings ist bis jetzt noch kein Fall absehbar, der bis dorthin verfolgt werden könnte. Belangt die Staatsanwaltschaft unmittelbar wegen einer Straftat nach § 201 StGB eine Person, vollzieht sie dies regelmäßig durch das Strafbefehlsverfahren. Dann endet der Fall spätestens vor den Oberlandesgerichten. Geht es um eine Sicherstellung, enden die Fälle vor den Landgerichten. Es bleibt also spannend, wann die Rechtsunsicherheit aufgehoben wird. 

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