Vertragspartner können unter Umständen umfangreiche Auskunftsansprüche geltend machen. Diesem Anspruch steht dieDatenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht entgegen. So hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Teilurteil vom 24.10.2018 entschieden und damit die begehrte Weitergabe von Kundendaten im Rahmen eines Auskunftsanspruchs für rechtmäßig erachtet.
Was war geschehen? Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht ein Vertragshändlervertrag. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zwischen den Parteien wollte sich die Beklagte im Rahmen einer Widerklage auf eine Vertragsverletzung der Klägerin berufen und Gegenansprüche geltend machen. Um das Bestehen des Anspruchs und dessen konkreten Umfang nachweisen zu können, machte sie ihren Anspruch auf Auskunft über abgewickelte Lieferverträge der Klägerin geltend. Sie wollte konkrete Auskünfte zu Verträgen, die die Vereinbarung aus dem gemeinsamen Vertragshändlervertrag verletzen sollten. Ein entsprechender Auskunftsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegeben, wenn sich der Anspruchsberechtigte im Unklaren über den Umfang seines Rechts befindet und der Verpflichtete ohne Probleme dazu in der Lage ist, die konkret notwendige Auskunft zu erteilen. Im vorliegenden Fall beinhaltete die Auskunft auch die Weitergabe von Kundendaten der Klägerin. Mit dieser Begründung versuchte die Kläger den Auskunftsanspruch abzuwehren , da sie die Ansicht vertrat, dass die DSGVO es ihr verbieten würde, die Kundendaten weiterzugeben.
Das Landgericht Traunstein hatte den Auskunftsanspruch in erster Instanz noch abgelehnt. Auf die eingelegte Berufung hat das OLG den Auskunftsanspruch bejaht.
Dass die Vorschriften der DSGVO dem Anspruch der Beklagten nicht entgegenstünden, hat das Gericht mit Verweis auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO begründet. Demnach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen, oder eines Dritten erforderlich ist.
Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist: (…)
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Das geforderte berechtigte Interesse sah das OLG auf Seiten der Beklagten (bzw. Widerklägerin) als Dritte: Die zu erteilenden Informationen sollten zur Ermittlung des möglichen Schadensersatzanspruchs aus der vertraglichen Pflichtverletzung dienen. Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Interessen der Betroffenen (die Kunden, deren Daten weitergegeben werden sollten) und des Dritten ging das Gericht von einer möglichst weiten Auslegung des berechtigten Interesses aus. Neben rechtlichen Interessen seien zusätzlich wirtschaftliche und/oder ideelle Gesichtspunkte zu beachten. Zu Gunsten der Beklagten berücksichtigte das OLG auch, dass auf Seiten der Betroffenen keine höchstpersönlichen Daten oder ein besonderes Know-how der betroffenen Branche, sondern ausschließlich wirtschaftliche Daten über mehrere Kaufabwicklungen weitergegeben werden sollten. Aus diesem Grund konnten die Interessen der Betroffenen nach Ansicht der Richter im vorliegenden Fall nicht überwiegen.
Das Urteil zeigt, dass sich die Rechtssicherheit im Hinblick auf die Anwendung der DSGVO zunehmend verbessert. Das Gericht hat sich im Rahmen seiner Abwägung nicht zuletzt an den europäischen Erwägungen zur DSGVO orientiert.
(…) Ein berechtigtes Interesse könnte beispielsweise vorliegen, wenn eine maßgebliche und angemessene Beziehung zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen besteht, z. B. wenn die betroffene Person ein Kunde des Verantwortlichen ist (…). (…)
Vertragspartner können unter Umständen konkrete und auch sehr umfangreiche Auskunftsansprüche geltend machen. Dabei müssen sie nicht befürchten, dass ihr Anspruch pauschal und alleine mit dem Verweis auf den Datenschutz abgewehrt wird. Daraus lässt sich trotzdem kein genereller Anspruch herleiten: Es muss vielmehr weiterhin zwischen den Interessen der Beteiligten anhand der Umstände im Einzelfall abgewogen werden.
Vertragspartner können unter Umständen konkrete und auch sehr umfangreiche Auskunftsansprüche geltend machen. Dabei müssen sie nicht befürchten, dass ihr Anspruch pauschal und alleine mit dem Verweis auf den Datenschutz abgewehrt wird. Daraus lässt sich trotzdem kein genereller Anspruch herleiten: Es muss vielmehr weiterhin zwischen den Interessen der Beteiligten anhand der Umstände im Einzelfall abgewogen werden.
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Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
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