Krank zur Arbeit - kein Versicherungsschutz?

15. November 2018
Geschrieben von: Dominik Nowak

Wird ein Arbeitnehmer vom Arzt krankgeschrieben, so stellt sich immer wieder die Frage, ob man auch dann wieder arbeiten gehen kann/darf, wenn man sich zwar wieder gesund fühlt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) jedoch noch eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Muss man sich in diesen Fällen "gesundschreiben" lassen oder kann man "einfach" wieder zur Arbeit gehen?

Wann ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen?

Grundsätzlich gilt: Wer krank und arbeitsunfähig ist, sollte nicht zur Arbeit erscheinen. Denn wer krank am Arbeitsplatz erscheint, riskiert nicht nur, der eigenen Gesundheit weiter zu schaden, sondern auch Kollegen und Mitarbeiter anzustecken.

Wer krank oder aus anderen Gründen arbeitsunfähig ist, muss in jedem Fall seinem Arbeitgeber unverzüglich (sobald man weiß, dass man arbeitsunfähig ist) mitteilen, dass

  • man arbeitsunfähig ist und
  • wie lange man voraussichtlich arbeitsunfähig sein wird.

Diese Verpflichtung ergibt sich direkt aus § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG).

Ab welchem Tag man zusätzlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen hat , lässt sich in der Regel dem Arbeitsvertrag entnehmen. Ansonsten gilt die gesetzliche Regelung: Bei Erkrankungen, die länger als drei Tage andauern, ist eine ärztliche AU spätestens am darauffolgenden Arbeitstag dem Arbeitgeber vorzulegen.

§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG)

(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. (…)

Legt der Arbeitnehmer keine AU vor, stellt dies in der Regel kein "unentschuldigtes Fehlen" und damit auch keinen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Der Arbeitgeber kann in solchen Fällen meist nur eine Abmahnung aussprechen. Dem Arbeitgeber steht aber eine weitere Reaktionsmöglichkeit zu, die oft unbekannt ist: Gemäß § 7 Entgeltfortzahlungsgesetz kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern, bis der Arbeitnehmer ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt.

§ 7 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG)
(1) Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern,
1. solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt;
2. (...)
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer die Verletzung dieser ihm obliegenden Verpflichtungen nicht zu vertreten hat.

Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot

Entgegen dem viel verbreiteten Mythos handelt es sich bei einer "Krankschreibung" nicht um ein Arbeitsverbot. Bei dem ärztlichen Attest handelt es sich lediglich um eine Prognose des behandelnden Arztes im Hinblick darauf, wie lange der Arbeitnehmer voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, zu arbeiten. Gerade deshalb dürfen auch noch "krankgeschriebene" Arbeitnehmer wieder arbeiten, wenn sie früher als gedacht wieder arbeitsfähig sind. Hierzu bedarf es auch keiner ärztlichen Aufhebung der AU.

Zweifelt der Arbeitgeber aber an der Gesundheit des Arbeitnehmers, so kann z.B. der Betriebsarzt hinzugezogen werden. Dieser könnte den Betroffenen erneut untersuchen und eine weitere Arbeits(un)fähigkeit feststellen. Allerdings kann ein Arbeitnehmer auch nicht auf einem Arbeitsplatz bleiben, wenn dies seine Gesundheit gefährdet. Auch wenn es in einem Unternehmen keinen Betriebsarzt gibt, kann der Arbeitgeber den noch kranken Arbeitnehmer wieder nach Hause schicken, um beispielsweise die Ansteckungsgefahr gegenüber Mitarbeitern zu mindern. Es ist somit ratsam, tatsächlich erst wieder zur Arbeit zu erscheinen, wenn man auch wieder gesund ist.

Auch bei Krankschreibung besteht Versicherungsschutz

Kommt der noch krankgeschriebene Arbeitnehmer vorzeitig wieder zur Arbeit, bestehen hinsichtlich des Versicherungsschutzes während der Arbeitszeit keine Bedenken. Die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) deckt grundsätzlich alle Arbeitsunfälle ab.

§ 8 SGB VII

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. […]

Zudem besteht der Versicherungsschutz nicht nur am Arbeitsplatz selbst, sondern auch auf dem Weg zur Arbeit (sog. Wegeunfälle).

§ 8 SGB VII

[…] (2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit […].

Doch nicht fit genug - was nun?

Sollte der krankgeschriebene Arbeitnehmer zur Arbeit gehen und dort feststellen, dass er doch noch nicht wieder arbeitsfähig ist, sollte er sich erneut arbeitsunfähig melden und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Alternativ kann er auch zu Beginn der Arbeit direkt mit seinem Vorgesetzten reden und diesem mitteilen, dass er erst einmal versuchen möchte, zu arbeiten. Sollte er dann merken, dass er doch nicht arbeiten kann, so kann der Fall so behandelt werden, als sei er gar nicht erst zur Arbeit erschienen. Der Arbeitnehmer sollte dann aber eine neue Krankschreibung einreichen, um Unsicherheiten zu vermeiden.

Kein „Fremdarbeiten“ bei Krankheit

Der Arbeitnehmer kann zwar trotz Krankschreibung wieder arbeiten gehen, wenn er sich frühzeitig wieder gesund und arbeitsfähig fühlt. Dies gilt jedoch nur für den eigenen Arbeitgeber. Sollte der Arbeitnehmer seine Krankschreibung nutzen, um einer anderen Tätigkeit, beispielsweise einem genehmigten Nebenjob, nachzugehen (z.B. um den Verdienst aufzubessern), so droht eine fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags, wenn der Arbeitgeber davon erfährt.

§ 626 BGB

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. […]

Fazit

Der „gelbe Schein“ führt nicht dazu, dass es Arbeitnehmern untersagt ist, zur Arbeit zu erscheinen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann auch unproblematisch verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Krankschreibung nicht wieder gesund ist. Auch im Hinblick auf eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sollte sich der Arbeitnehmer schnellstmöglich, d.h. schon auf dem Weg zum Arzt, beim Arbeitgeber krankmelden und bei voraussichtlich längerer Abwesenheit das entsprechende ärztliche Attest einreichen. Auf Arbeitgeberseite ist zu berücksichtigen, dass gegenüber den Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht besteht, sodass ersichtlich kranke Mitarbeiter nach Hause geschickt werden sollten, um die Ansteckungsgefahr einzudämmen.

Wenn Sie Fragen rund um das Thema Arbeitsunfähigkeit, Entgeltfortzahlung oder andere arbeitsrechtliche Fragen haben, wenden Sie sich an unsere Anwälte für Arbeitsrecht und vereinbaren einen Termin. Wir stehen Ihnen gerne und jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Rufen Sie uns an 0201/24030.

Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater

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mehr Informationen zur Arbeitsunfähigkeit:

News: AU wird vereinfach

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