
Nicht umsonst ist das Jura-Studium lang und schwierig.
Zahlreiche Rechtsfragen treten täglich auf und nur in wenigen Fällen lässt sich direkt eine klare Antwort darauf finden. Umso verständlicher ist es, dass Nicht-Juristen sich im Paragraphen-Dschungel schnell verloren fühlen. Dies hat aber gleichzeitig zur Folge, dass sich unzählige Mythen in Sachen Recht entwickelt haben.
So ist es weit verbreitet, einen Zettel mit Kontaktdaten an einem parkenden Auto zu hinterlassen, wenn man gegen dieses gefahren ist. Aber ist das rechtlich in Ordnung?
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
§ 142 StGB sieht vor, dass ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
- zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
- eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen
mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird.
Der Zettel am Scheibenwischer
Nach dem Wortlaut des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB könnte man also meinen, dass es ausreicht, nach einem „Parkunfall“ seine Kontaktdaten am Auto des Geschädigten zu hinterlassen. Immerhin ermöglicht man so die Feststellung seiner Person – oder?
Die Antwort hierauf lautet: Nein!
Denn aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass man zusätzlich zur Angabe von Kontaktdaten etc. auch eine angemessene Zeit am Unfallort gewartet haben muss, bevor man sich von dort entfernen darf.
Achtung!
Entfernt man sich als wartepflichtige Person nach Ablauf der Wartezeit vom Unfallort, muss man die Feststellungen aus § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB nachträglich ermöglichen!
Die angemessene Wartezeit im Einzelfall
Für die Bestimmung der „angemessenen“ Zeit kommt es – wie so häufig – auf den Einzelfall an. Dabei ist nach den Grundsätzen der Güterabwägung das Interesse des Täters am Verlassen der Unfallstelle gegenüber dem Feststellungsinteresse der Geschädigten abzuwägen.
Beispiel 1:
Auf einem Supermarktparkplatz wird beim Ausparken ein anderes Auto leicht touchiert. Hierdurch entsteht eine kleine Beule.
Bei diesem Sachverhalt dürfte eine Wartezeit von 30 Minuten mehr als ausreichend sein.
Beispiel 2:
Bei einer Kollision von zwei Autos auf einer Landstraße wird ein Fahrer stark verletzt und ohnmächtig.
Hier dürfte die Wartezeit bei mindestens einer Stunde liegen. Unabhängig davon sind natürlich Polizei und Rettungsdienst zu alarmieren!
Praxistipp: In jedem Fall die Polizei verständigen
Unabhängig von der geforderten Wartezeit ist es aber immer ratsam, nach einem Unfall die Polizei zu verständigen. Diese kann die erforderlichen Feststellungen zum Unfallhergang treffen und rechtssicher dokumentieren.
Verlassen des Unfallorts als „Letzter“
In der Vergangenheit mussten sich die Gerichte auch des Öfteren mit Sachverhalten beschäftigen, in denen gegen die Pflicht verstoßen wurde, auch die Art der Unfallbeteiligung preiszugeben, § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Der Vorstellungspflicht genügt z.B. nicht, wer sich zwar zu erkennen gibt, aber seine Beteiligung an dem Unfall ausdrücklich leugnet. Das gilt auch, wenn ein Unfallbeteiligter so tut, als sei er nur Zeuge des Unfalls und dann als Letzter den Unfallort verlässt.
Fazit
Das Hinterlassen eines Zettels mit Kontaktdaten am Unfallort reicht für sich alleine nicht aus. Unfallbeteiligte müssen auch eine angemessene Zeit am Unfallort warten, um Feststellungen zum Unfallhergang und zur Unfallbeteiligung zu ermöglichen.
Bei weiteren Fragen zum Thema Strafrecht oder Ordnungswidrigkeitenrecht, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter vornehmen.
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