Wird ein Arbeitnehmer vom Arzt krankgeschrieben, so stellt sich häufig die Frage, ob man trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder arbeiten gehen darf, wenn man sich zwar wieder gesund fühlt, das ärztliche Attest jedoch noch eine längere Arbeitsunfähigkeit indiziert.
Wer krank am Arbeitsplatz erscheint, riskiert, andere mit seinen eigenen Bakterien oder Viren anzustecken und auch der eigenen Gesundheit weiter zu schaden. Ab wann eine Krankschreibung durch den Arzt (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) zu erfolgen hat, lässt sich in der Regel dem Arbeitsvertrag entnehmen. Ansonsten ist bei Erkrankungen, die vermutlich länger als drei Tage anhalten werden, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am darauffolgenden Arbeitstag dem Arbeitgeber vorzulegen. Dabei ist auch anzugeben, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich andauern wird.
§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG)
(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. (…)
Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig beim Arbeitgeber einreicht. Verstößt der Arbeitnehmer gegen diese Pflicht, so kann der Arbeitgeber ihn für dieses Fehlverhalten abmahnen. Im Wiederholungsfall kann dann sogar eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung ausgesprochen werden.
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Entgegen dem viel verbreiteten Mythos handelt es sich bei einer Krankschreibung nicht um ein Arbeitsverbot. Bei dem ärztlichen Attest handelt es sich lediglich um eine Prognose des behandelnden Arztes wie lange der Arbeitnehmer voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, zu arbeiten. Gerade deshalb dürfen auch noch "krankgeschriebene" Arbeitnehmer wieder arbeiten, wenn sie früher als gedacht wieder arbeitsfähig sind. Hierzu bedarf es auch keiner ärztlichen Aufhebung der Krankschreibung oder ähnlichem.
Zweifelt der Arbeitgeber aber an der Gesundheit des Arbeitnehmers, so kann der Betriebsarzt hinzugezogen werden, welcher den Betroffenen erneut untersucht und die Arbeits(un)fähigkeit feststellt. Der Betriebsarzt ist aber nicht befugt, einem Beschäftigten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen. Allerdings kann ein Arbeitnehmer auch nicht auf einem Arbeitsplatz bleiben, wenn dies seine Gesundheit gefährdet. Auch wenn es in einem Unternehmen keinen Betriebsarzt gibt, kann der Arbeitgeber den noch kranken Arbeitnehmer nach Hause schicken, um beispielsweise die Ansteckungsgefahr gegenüber Mitarbeitern zu bannen. Es ist somit ratsam tatsächlich erst wieder zur Arbeit zu erscheinen, wenn man sich auch wieder gesund fühlt.
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Kommt der noch krankgeschriebene Arbeitnehmer vorzeitig wieder zur Arbeit, bestehen hinsichtlich des Versicherungsschutzes während der Arbeitszeit keine Bedenken. Die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) bleibt auch dann für Arbeitsunfälle (z.B. Medizinische Vorfälle) bestehen, welche im wesentlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen.
§ 8 SGB VII
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.[…]
Zudem besteht der Versicherungsschutz nicht nur am Arbeitsplatz selbst, sondern auch auf dem Weg dorthin.
§ 8 SGB VII
[…] (2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit […].
Sollte der krankgeschriebene Arbeitnehmer zur Arbeit gehen und dort feststellen, dass er doch noch nicht wieder arbeitsfähig ist, so ist es grundsätzlich ratsam, sich erneut arbeitsunfähig zu melden und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Alternativ kann man auch zu Beginn der Arbeit direkt mit seinem Vorgesetzten reden und diesem mitteilen, dass man erst einmal versuchen wolle, zu arbeiten.
Sollte der Arbeitnehmer dann merken, dass er doch nicht arbeiten kann, so kann der Fall so behandelt werden, als sei der Arbeitnehmer gar nicht erst zur Arbeit erschienen. Die ursprüngliche Krankschreibung gilt dann sozusagen fort. Dennoch sollte der Arbeitnehmer lieber eine neue Krankschreibung einreichen, um Unsicherheiten auszuräumen.
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Der Arbeitnehmer kann zwar trotz Krankschreibung wieder arbeiten gehen, wenn er sich frühzeitig wieder gesund und arbeitsfähig fühlt. Dies gilt jedoch nur für den eigenen Arbeitgeber. Sollte der Arbeitnehmer seine Krankschreibung weiter nutzen, um einer anderen Tätigkeit, beispielsweise einem genehmigten Nebenjob, nicht aber seiner Haupttätigkeit nachzugehen (z.B. um den Verdienst aufzubessern), so droht eine fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags, wenn der Arbeitgeber davon erfährt.
§ 626 BGB
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. […]
Der „gelbe Schein“ führt einerseits nicht dazu, dass es Arbeitnehmern untersagt ist, zur Arbeit zu erscheinen. Andererseits kann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch ärztlich verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Krankschreibung noch nicht wieder gesund ist.
Auch im Hinblick auf eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall muss sich der Arbeitnehmer unverzüglich, d.h. so früh wie möglich und spätestens auf dem Weg zum Arzt, beim Arbeitgeber krankmelden und bei voraussichtlich längerer Abwesenheit das entsprechende ärztliche Attest einreichen. So wird gewährleistet, dass der Arbeitgeber „umplanen“ kann und der Betrieb reibungslos weiterläuft.
Auf Arbeitgeberseite ist zu berücksichtigen, dass gegenüber den Arbeitnehmern eine Fürsorgepflicht besteht, sodass ersichtlich kranke Mitarbeiter nach Hause geschickt werden sollten, um die Ansteckungsgefahr einzudämmen.
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