Zwischen Ärzt*innen und Patient*innen besteht üblicherweise ein enges Vertrauensverhältnis. Wenn die Hausärztin des Vertrauens aber ihre Praxis ab- oder aufgibt, kann die Frage schnell aufkommen: Welche Informationen hat jetzt eigentlich der neue Praxisinhaber? Ein Weg, die Informationen zu erlangen, kann der Auskunftsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung ("DSGVO") sein. Das Landgericht Hagen beschäftigte sich am 31.08.2022 mit der Reichweite des Anspruchs, wenn es um die Einsicht in entsprechende Unterlagen geht.
Art. 15 Abs. 1 DSGVO statuiert den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch. Nach dieser Vorschrift hat eine betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob Daten, die diese Person betreffen, verarbeitet werden. Betroffen ist eine Person dann, wenn Daten Rückschlüsse auf ihre Person zulassen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO); verantwortlich ist grundsätzlich, wer über die Speicherung der Daten entscheidet (Art. 4 Nr. 8 DSGVO).
Werden vom Verantwortlichen personenbezogene Daten verarbeitet, so hat die betroffene Person einen Auskunftsanspruch über diese personenbezogenen Daten und zusätzlich Anspruch auf bestimmte weitere Informationen. Der Verantwortliche muss hinsichtlich der personenbezogenen Daten darlegen, welche Daten vorliegen. Es ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, wie weit diese Auskunftspflicht tatsächlich reicht.
Die Informationen, die ebenfalls bekanntgegeben werden müssen, umfassen unter anderem:
Der Auskunftsanspruch ist häufig Gegenstand von richterlichen Entscheidungen. Hierzu von uns:
- DSGVO und der Auskunftsanspruch
Der Antragsteller war Patient bei einem mittlerweile verstorbenen Arzt in Hagen. Die Gegner des Antrages des Klägers haben die Praxis des verstorbenen Arztes übernommen. Am 16.11.2020 wurde an die Praxis, deren Inhaber noch der nun verstorbene Arzt war, ein mehrseitiges Fax gesendet, das persönliche Informationen des Antragstellers enthielt. Der Antragsteller forderte noch im Dezember diesen Arzt zur Erteilung einer Auskunft über die Verarbeitung und Speicherung von ihn betreffenden Daten auf. Eine Antwort auf die Forderung blieb aus. Nach der Praxisübernahme 2022 forderte der Antragsteller auch die neuen Ärzt*innen zur Auskunft auf.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass wegen des Faxes nun Daten über ihn rechtswidrig gespeichert werden. Dies führte sein Anwalt in einem Schriftsatz auf, auf den die Antragsgegner im Prozess eingingen. Sie erläuterten, dass das Fax nach Erhalt geschreddert worden sei. Zudem befinde sich in ihrer Praxis nur ein Behandlungsdokument des Antragsstellers, das sie lediglich verwahrten.
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Das Landgericht ließ offen, ob der Auskunftsanspruch ursprünglich bestanden hat. Jedenfalls durch die Einlassung der Antragsgegner in ihrem Schriftsatz sei der Anspruch erfüllt worden. Denn es sei zwar - wie oben schon ausgeführt- noch nicht abschließend geklärt, wie weit der Auskunftsanspruch reicht und ob der Hinweis auf ein "Behandlungsdokument" ausreicht. Jedoch spreche für eine Erfüllung des Anspruchs § 10 Abs. 4 S. 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte ("BO Ärzte"). Dieser lautet:
§ 10 BO Ärzte
(1) [...]
(4) Nach Aufgabe der Praxis haben Ärztinnen und Ärzte ihre ärztlichen Aufzeichnungen und Untersuchungsbefunde [...] aufzubewahren oder dafür Sorge zu tragen, dass sie in gehörige Obhut gegeben werden. Ärztinnen und Ärzte, denen bei einer Praxisaufgabe oder Praxisübergabe ärztliche Aufzeichnungen über Patientinnen und Patienten in Obhut gegeben werden, müssen diese Aufzeichnungen unter Verschluss halten und dürfen sie nur mit deren Einwilligung einsehen oder weitergeben.
Daraus folge, so das Landgericht Hagen, dass der Antragsteller seine Einwilligung in die Einsichtnahme in das Behandlungsdokument hätte erklären müssen. Da dies nicht geschehen sei, reiche die Einlassung im Schriftsatz der Antragsgegner, dass ein solches Dokument vorliege, um den Auskunftsanspruch zu erfüllen.
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Der Beschluss des Landgerichts Hagen macht deutlich, dass es noch immer zahlreiche ungeklärte Rechtsfragen vor allen in Schnittstellen zwischen Datenschutzrecht und anderen Rechtsgebieten gibt. Diese Kombination von Rechtsgebieten führt manchmal - wie die Entscheidung zeigt - dazu, dass ein gewohnter Mechanismus, wie ein einfach formulierter Auskunftsanspruch, nicht immer greift, sondern entsprechend des Besonderheiten des Einzelfalles angepasst werden muss.
Bei weiteren Fragen zum Thema IT- und Datenschutzrecht, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
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