Die Ausbreitung des Coronavirus wird derzeit breit diskutiert und beobachtet. Immer wieder wird dabei auch über ‚häusliche Quarantäne‘ berichtet. Heute möchten wir Sie daher über die arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer solchen informieren.
In Deutschland gilt das Rechtsstaatsprinzip. Für jedes staatliche Handeln bedarf es demnach einer Ermächtigungsgrundlage, also eines Gesetzes. Was im Falle der Ausbreitung ansteckender Krankheiten für Maßnahmen ergriffen werden können und müssen, ist im Infektionsschutzgesetz geregelt.
So können die Behörden etwa gemäß § 28 IfSG Großveranstaltungen verbieten oder Personen verpflichten, ihren Aufenthaltsort nicht zu verlassen.
§ 28 IfSG
(1) …Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten…, sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind….
Wer für die Ergreifung der jeweiligen Maßnahmen zuständig ist, richtet sich dann nach landesrechtlichen Vorschriften. In Nordrhein-Westfalen sind die Gemeinden zuständig.
Arbeitgeber trifft grundsätzlich eine Fürsorgepflicht für ihre Arbeitnehmer, § 618 BGB. So sind sie etwa verpflichtet, ausreichend Seife und unter Umständen auch Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen.
Schließt der Arbeitgeber aufgrund einer Infektionskrankheit wie dem Coronavirus seinen Betrieb, ist der Arbeitnehmer dennoch nicht verpflichtet, Urlaub zu nehmen. Vielmehr befindet sich der Arbeitgeber, wenn er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt, in Annahmeverzug. Er erhält auch weiterhin sein übliches Gehalt und ist nicht verpflichtet, die ausgefallene Arbeitszeit nachzuholen.
§ 615 BGB
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein… Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Dies gilt auch, wenn der Betrieb nicht durch den Unternehmer, sondern durch die zuständige Behörde geschlossen wird. Eine solche Schließung gehört dann zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Hierfür ist es unerheblich, dass der Arbeitgeber nicht für die Störung in Form des Virus verantwortlich ist. Der Arbeitnehmer erhält Lohnfortzahlung nach Maßgabe des § 615 S. 3 BGB.
Schon gewusst? Informationen rund um das Thema Urlaubsanspruch finden Sie hier.
Dies gilt auch, wenn es etwa aufgrund der Schließung von Zuliefererbetrieben zu Lieferengpässen kommt und die Arbeit daher vorübergehend eingestellt werden muss. Auch hier realisiert sich das Betriebsrisiko des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer erhält auch weiterhin sein übliches Gehalt.
Von diesen Verboten zu unterscheiden ist die Anordnung von Quarantänemaßnahmen für einzelne Personen. Eine solche ist an die engeren Voraussetzungen des § 30 IfSG geknüpft.
§ 30 IfSG
(1) … Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden..
Auf dieser Grundlage kann unabhängig davon, ob die Betroffenen dieser zustimmen, auch eine häusliche Quarantäne angeordnet werden.
Schon gewusst? Weitere Informationen rund um das Thema Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Sie hier.
Ist der Betroffene am Coronavirus erkrankt, ist er krankheitsbedingt arbeitsunfähig und erhält Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz für bis zu sechs Wochen.
§ 3 EntgFG
(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.
Sollte er für mehr als sechs Wochen erkranken, erhalten gesetzlich versicherte Arbeitnehmer im Anschluss an die Lohnfortzahlung Krankengeld. Dieses beträgt regelmäßig 70 % des üblichen Bruttolohns.
§ 44 SGB V
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht… behandelt werden.§ 47 SGB V
(1) Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt)…
Erfolgt die Quarantäne aufgrund eines bloßen Verdachtes, liegt eine solche die Arbeitsunfähigkeit begründende Krankheit jedoch gerade nicht vor - ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall scheidet aus. Jedoch steht dem betroffenen Mitarbeiter eine Entschädigungsleistung von staatlicher Seite nach Maßgabe des § 56 IfSG zu.
§ 56 IfSG
(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern… in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden…
(2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt…
Die Höhe der Entschädigungsleistung entspricht dabei für die ersten sechs Wochen dem Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und mithin dem üblichen Gehalt. Nach sechs Wochen reduziert sich die Höhe der Entschädigung auf die Höhe eines im Krankheitsfall zu zahlendem Krankengeld.
Eine ähnliche Entschädigungsregelung gilt auch für Verdienstausfälle, die Selbstständige oder Freiberufler infolge einer behördlich angeordneten Virusquarantäne erleiden.
§ 56 IfSG
(3) … Die Sätze 1 und 3 gelten für die Berechnung des Verdienstausfalls bei den in Heimarbeit Beschäftigten und bei Selbständigen entsprechend mit der Maßgabe, dass … ein Zwölftel des Arbeitseinkommens (§ 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen ist…
(4) … Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1 ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer als bloße Vorsichtsmaßnahme keinen Anspruch darauf, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Entscheidung, ob Homeoffice möglich ist, obliegt allein dem Arbeitgeber. Erscheint der Arbeitnehmer unentschuldigt nicht, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen, etwa in Form einer Abmahnung, und schlimmstenfalls auch eine verhaltensbedingte Kündigung begründen.
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Anders herum können auch Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht gegen deren Willen zum Homeoffice verpflichten, wenn im Arbeitsvertrag ein fester Arbeitsplatz festgelegt wurde. Eine solche Vereinbarung kann grundsätzlich nur einvernehmlich erfolgen.
Viel diskutiert im Zusammenhang mit dem derzeitigen Ausbruch des Coronavirus ist dabei auch die Frage, ob der Arbeitnehmer auch bei Einstellung des öffentlichen Bahn- und Nahverkehrs zur Arbeit erscheinen muss.
Grundsätzlich trägt – ähnlich wie der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt – der Arbeitnehmer das Wegerisiko. Es fällt also in seinen Verantwortungskreis, dass er rechtzeitig und überhaupt zur Arbeit erscheint. Ein Anspruch auf bezahlte Freistellung oder Homeoffice besteht dabei nicht.
Ist das Kind erkrankt, steht nach der Rechtsprechung jedem Elternteil pro Kalenderjahr ein Anspruch auf 10 Tage Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld zu. Bei alleinerziehenden Eltern erhöht sich der Anspruch auf 20 Tage.
Dies gilt jedoch nicht, wenn der bloße Verdacht einer Infektion des Kindes besteht oder beispielsweise die Kita geschlossen wird. Zwar kann im Einzelfall auch hier dem betroffenen Arbeitnehmer für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zustehen. Dieser umfasst nach der Rechtsprechung jedoch in der Regel lediglich ein bis maximal zwei Tage.
§ 616 BGB
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
Kann die Betreuung dennoch nicht anders gewährleistet werden, kann dem betroffenen Arbeitnehmer im Einzelfall ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung zustehen.
Auch für den Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne oder Betriebsschließung sind Arbeitnehmer nicht rechtlos gestellt und haben in der Regel keine finanziellen Einbußen zu befürchten. Um eine übermäßige Inanspruchnahme der Arbeitgeber zu verhindern übernimmt dabei im Falle einer bloßen und im Nachhinein unbegründeten Verdachtsquarantäne der Staat die anfallenden Lohnkosten in Form einer Entschädigungszahlung.
Wenn Sie Fragen rund um das Thema Lohnfortzahlung oder andere arbeitsrechtliche Fragen haben, wenden Sie sich an unsere Anwälte für Arbeitsrecht und vereinbaren einen Termin. Wir stehen Ihnen gerne und jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Rufen Sie uns an 0201/24030.
Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
Ihre Anwälte für Arbeitsrecht in Essen