Im Zusammenhang mit dem sich derzeit ausbreitenden Coronavirus haben wir Sie bereits umfassend über dessen arbeitsrechtlichen Folgen sowie mögliche staatliche Hilfen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten informiert. Aus aktuellem Anlass möchten wir nun auch auf das Thema Kurzarbeit eingehen.
Das Arbeitsverhältnis ist regelmäßig geprägt vom zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag. Dieser regelt die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien. Als Hauptleistungspflichten hat so der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitszeit und -leistung zu erbringen, um im Gegenzug die vereinbarte Vergütung zu erhalten.
Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ist dabei nicht davon abhängig, ob auch tatsächlich genügend Arbeit vorhanden ist. Es handelt sich insoweit um einen fixen Vergütungsanspruch.
§ 615 BGB
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein… Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Eine Ausnahme hiervon gilt bei Anordnung von Kurzarbeit aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses oder aus wirtschaftlichen Gründen. Ein solches unabwendbares Ereignis kann auch die Coronapandemie, die häufig mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen verbunden ist, darstellen.
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Durch die Anordnung von Kurzarbeit wird die zu erbringende Arbeitszeit im selben Verhältnis wie der Lohnanspruch des Arbeitnehmers gekürzt.
Beispiel:
Herr Müller, alleinstehend und kinderlos, arbeitet wöchentlich 40 Stunden zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.000 €.
In der Kurzarbeit wird seine Arbeitszeit auf wöchentlich 20 Arbeitsstunden gekürzt. Sein Lohnanspruch reduziert sich auf 1.000 € brutto.
Neben dem so reduzierten Bruttoarbeitslohn steht betroffenen Arbeitnehmern gegenüber ihrem Arbeitgeber ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld zu.
§ 95 SGB III
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn
1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
2. die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
3. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
4. der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
Die Höhe des Kurzarbeitergeldes richtet sich dann nach den familiären Verhältnissen der betroffenen Arbeitnehmer. Kinderlose Mitarbeiter erhalten maximal 60 %, Arbeitnehmer mit Kindern maximal 67 % des ausgefallenen Nettoarbeitslohns.
Beispiel:
Bei Steuerklasse 1 erhält Herr Müller von 2.000 € brutto ein Nettoeinkommen 1.416,99 €.
Bei einem monatlichen brutto von 1.000 € bleiben ihm lediglich 799,45 €.
Als Kurzarbeitergeld erhält er als kinderloser Arbeitnehmer von dieser Differenz (617,54 €) 60 %, also 370,52 €.
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Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Kurzarbeit nicht einseitig anordnen, da diese nicht von seinem Direktionsrecht umfasst ist. Vielmehr bedarf es einer entsprechenden Regelung im einschlägigen Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, soweit keine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag enthalten ist.
Sollte eine solche vertragliche Vereinbarung nicht bestehen, kann als letztes Mittel die Kurzarbeit auch einseitig im Wege einer Änderungskündigung angeordnet werden.
Der Arbeitsausfall muss durch den Arbeitgeber schriftlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt werden. Stimmt diese der Anordnung zu, folgt ein schriftlicher Antrag auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes.
Die Anordnung von Kurzarbeit ist dabei an das Vorliegen strenger Voraussetzungen geknüpft. Für die Anordnung ist insbesondere ein erheblicher Arbeitsausfall erforderlich. Die Voraussetzungen eines solchen sind in § 96 SGB III geregelt.
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Bisher war demnach ein Arbeitsausfall von mindestens 10 % des Bruttoentgelts erforderlich, der mindestens ein Drittel der beschäftigten Arbeitnehmer betraf.
§ 96 SGB III
(1) Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn
1. er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
2. er vorübergehend ist,
3. er nicht vermeidbar ist und
4. im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist; der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen.
Um Arbeitnehmer im Rahmen der Coronakrise vor betriebsbedingten Kündigungen zu schützen, beschloss der Bundestag bereits am 13. März 2020 einstimmig im Rahmen eines Eilverfahren ein erleichtertes Kurzarbeitergeld. So können Unternehmen seit April einfacher und unter weniger strengen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld beantragen.
Artikel 1: Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
Dem § 109 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch … wird folgender Absatz 5 angefügt:
„(5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, für den Fall außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
1. abweichend von § 96 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 den Anteil der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom Entgeltausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 Prozent herabzusetzen,
2. abweichend von § 96 Absatz 4 Satz 2 Nummer 3 auf den Einsatz negativer Arbeitszeitsalden zur Vermeidung von Kurzarbeit vollständig oder teilweise zu verzichten,
3. eine vollständige oder teilweise Erstattung der von den Arbeitgebern allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Kurzarbeitergeld beziehen, einzuführen. Die Verordnung ist zeitlich zu befristen.
Die Ermächtigung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2021 außer Kraft.“
So beschloss der Bundestag, dass für die Dauer der Coronakrise weniger strenge Anforderungen an die Anordnung für Kurzarbeit zu stellen sein werden. Künftig reicht so schon aus, dass 10 % der Arbeitnehmer vom Entgeltausfall betroffen sind.
Darüber hinaus werden nach dem beschlossenen Gesetz etwaiges Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto der Arbeitnehmer für die Anordnung von Kurzarbeit nicht zu beachten.
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Bisher stand Leiharbeitnehmern kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld zu, § 11 IV 3 AÜG. Für die Dauer der Coronakrise wird diese Regelung durch den Gesetzesentwurf außer Kraft gesetzt, so dass auch Leiharbeitnehmern Kurzarbeitergeld zustehen kann.
Artikel 2 Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz… wird wie folgt geändert:
1. § 11 Absatz 4 Satz 3 wird aufgehoben…
Grundsätzlich hat auch bei Anordnung von Kurzarbeit der Arbeitgeber die anfallenden Beiträge zur Sozialversicherung weiter zu tragen. Auch diese Regelung wurde nun aber zunächst für die Dauer der Viruspandemie ausgesetzt, der Arbeitgeber kann sich die Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe von der Bundesagentur für Arbeit erstatten lassen.
Die Bundesregierung hat ein neues Maßnahmenpaket zum Thema Kurzarbeit beschlossen. Dieses enthält folgende Regelungen bis zum 31. Dezember 2021:
Darüber hinaus wird die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld für Betriebe, die mit der Kurzarbeit bis zum 31. Dezember 2020 begonnen haben, auf bis zu 24 Monate verlängert, längstens bis zum 31. Dezember 2021.
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Die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit wird bis 30. Juni 2021 verlängert. Vom 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2021 werden die Sozialversicherungsbeiträge zu 50 % erstattet, wenn mit der Kurzarbeit bis 30. Juni 2021 begonnen wurde.
Zudem wird der Anreiz, Zeiten des Arbeitsausfalls für berufliche Weiterbildung zu nutzen, dadurch weiter gestärkt, dass die für diese Fälle geregelte hälftige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr daran geknüpft wird, dass die Qualifizierung mindestens 50 % der Zeit des Arbeitsausfalls betragen muss.
Durch die Anordnung von Kurzarbeit sollen bei lediglich vorübergehendem Arbeitsausfall betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden. Die im Eilverfahren verabschiedete Gesetzesentwurf erleichtert die Anordnung von Kurzarbeit, indem es die Voraussetzungen für eine solche herabsetzt. Zugleich wird der Arbeitgeber weiter entlastet, indem er sich neben dem Kurzarbeitergeld auch die anfallenden Sozialabgaben in voller Höhe erstatten lassen kann.
Wenn Sie Fragen rund um das Thema Kurzarbeit oder andere arbeitsrechtliche Fragen haben, wenden Sie sich an unsere Anwälte für Arbeitsrecht und vereinbaren einen Termin. Wir stehen Ihnen gerne und jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Rufen Sie uns an 0201/24030.
Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
Ihre Anwälte für Arbeitsrecht in Essen